Römer 10,4

Römer 10,4

„Denn Christus ist des Gesetzes Ende, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt.“

Lehrt dieser Text, dass das Gesetz der Zehn Gebote durch das Wirken Christi beendet wurde? Auf keinen Fall; denn im Griechischen steht für „Ende“, das Wort „telos“.

Das Wort „Ende“ wird hier im Sinne von „Ergebnis“, „Endziel“ oder „Ziel“ verwendet. Das Ziel des Gesetzes ist es, uns zu Christus zu führen. Beachten Sie bitte, wie dasselbe Wort in Jakobus 5,11 verwendet wird: „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen, zu welchem Ende [telos] es der Herr geführt hat; denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer.“ Mit anderen Worten: „Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen, zu welchem Ergebnis [telos] es der Herr geführt hat„. Und wieder lesen wir: „wenn ihr das Ziel [telos] eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.“ (1. Petrus 1,9) Hier ist das Ziel des Glaubens die Rettung der Seele. Das hat nichts damit zu tun, dass der Glaube tatsächlich zu einem Ende kommt. Oder ein weiteres Beispiel: „Das Ziel [telos] der Unterweisung aber ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben.“ (1. Timotheus 1,5) Das bedeutet, dass das Ziel der Unterweisungen die praktische Nächstenliebe und die Liebe zu Gott ist, es ist nicht vom buchstäblichen Ende der Unterweisungen die Rede. Im selben Sinne ist Christus das „Ziel des Gesetzes“, weil das Gesetz die Menschen zu Christus führt. Das Gesetz der Zehn Gebote ist nicht zu einem Ende gekommen, wie die Bibel an anderen Stellen eindeutig lehrt: Matthäus 5,17.18; Lukas 16,17.

Christus ist das Ziel oder der Zweck des Gesetzes (vgl. Galater 3,24), Christus ist die Erfüllung des Gesetzes (vgl. Matthäus 5,17) und Christus ist das Ende des Gesetzes als Mittel zum Heil (vgl. Römer 6,14). Paulus stellt Gottes Weg der Gerechtigkeit durch den Glauben dem Versuch des Menschen gegenüber, durch das Gesetz gerecht zu werden. Die Botschaft des Evangeliums ist, dass Christus das Gesetz als Weg der Gerechtigkeit für jeden, der den Glauben hat, beendet hat. Es ist bezeichnend, dass im Grundtext bei „Gesetz“ der bestimmte Artikel „das“ weggelassen wird, was darauf hinweist, dass Paulus sich auf das Prinzip des Gesetzes im Allgemeinen und nicht auf ein Gesetz im Besonderen bezieht. Außerdem zeigt die Tendenz der gesamten Argumentation, dass Paulus vom Gesetz im allgemeinen Sinne spricht.
Dieser Vers bedeutet nicht, dass die Gerechtigkeit in alttestamentlichen Zeiten tatsächlich durch das Gesetz erlangt werden konnte und dass mit dem Kommen Christi der Glaube an die Stelle des Gesetzes als Weg zur Gerechtigkeit getreten ist. Seit dem Sündenfall Adams hat Gott nur einen Weg offenbart, auf dem die Menschen gerettet werden können – durch den Glauben an den kommenden Messias (1. Mose 3,15; 4,3-5; Hebräer 11,4; Römer 4). Die Stelle darf nicht so verstanden werden, dass Christus das Gesetz der Zehn Gebote als solches beendet hat und dass die Menschen deshalb nicht mehr verpflichtet sind, dass Moralgesetz zu befolgen. Es ist das Gesetz als Methode zur Erlangung der Gerechtigkeit, die durch Christus beendet worden ist. Als Gott Israel seine Gesetze verkündete, wollte er ihnen ihre Sündhaftigkeit (Römer 3,20) und ihre Notwendigkeit eines Erlösers (Galater 3,24) vor Augen führen. Aber die Juden hatten Gottes Absicht pervertiert und die Gesetze, sowohl die moralischen als auch die zeremoniellen, als Mittel benutzt, um ihre eigene Gerechtigkeit durch ihre eigenen Versuche eines legalistischen Gehorsams zu etablieren. Christus kam, um diesem falschen Missbrauch des Gesetzes ein Ende zu setzen und den Weg zurück zum Glauben zu weisen. Ein solcher Glaube hebt das Gesetz nicht auf, sondern richtet es auf (vgl. Römer 3,31) und ermöglicht es dem Menschen, seine Anforderungen zu erfüllen (vgl. Römer 8,4).

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