Matthäus 16,19
„Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“
Petrus hatte die Wahrheit, die das Fundament des christlichen Glaubens ist, zum Ausdruck gebracht. Nun ehrte ihn Christus als den Vertreter der gesamten Gemeinschaft der Gläubigen. Er sagte zu ihm: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ (Matthäus 16,19) „Die Schlüssel des Himmelreichs“ sind die Worte von Christus. Alle Worte der Heiligen Schrift sind seine Worte und werden hier miteinbezogen. Sie haben die Kraft, den Himmel zu öffnen und zu schließen. Sie legen die Bedingungen fest, unter welchen Menschen aufgenommen oder abgewiesen werden. Dadurch ist das Werk jener, die Gottes Wort predigen, ein Anreiz zum Leben oder zum Tod (vgl. 2. Korinther 2,16). Sie vollziehen einen mit ewigen Auswirkungen beladenen Dienst. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Christus selbst von dem „Schlüssel“ spricht, der hier als „Schlüssel der Erkenntnis“ bezeichnet wird, wie man in das Himmelreich gelangt (vgl. Lukas 11,52). Die Worte Jesu sind „Geist“ und „Leben“ für alle, die sie aufnehmen (siehe Johannes 6,63). Es sind die Worte Christi, die ewiges Leben bringen (vgl. Johannes 6,68). Das Wort Gottes ist der Schlüssel zur Erfahrung der Neugeburt (1. Petrus 1,23). So wie die von Jesus gesprochenen Worte die Jünger von seiner Göttlichkeit überzeugten, so sollten sie als seine Botschafter andere Menschen mit Gott „versöhnen“ (siehe 2. Korinther 5,18-20). Die rettende Kraft des Evangeliums ist das Einzige, was Männer und Frauen in das Himmelreich einlässt. Christus hat Petrus und allen anderen Jüngern (siehe Matthäus 18,18; Johannes 20,23) einfach die Autorität und Macht verliehen, Menschen in das Reich Gottes zu bringen. Es war Petrus‘ Erkenntnis der Wahrheit, dass Jesus tatsächlich der Christus ist, die ihm die „Schlüssel“ des Reiches in die Hand gab und ihn in das Reich eintreten ließ, und dasselbe kann von allen Nachfolgern Christi bis ans Ende der Zeit gesagt werden. Das Argument, Christus habe Petrus eine größere oder andere Autorität verliehen als den anderen Jüngern, entbehrt jeder biblischen Grundlage. Tatsächlich war es Jakobus und nicht Petrus, der Verwaltungsfunktionen über die Urgemeinde in Jerusalem ausübte (siehe Apostelgeschichte 15,13.19; 12,17; 21,18; 1. Korinther 15,7; Galater 2,9.12). Bei mindestens einer Gelegenheit hat Paulus Petrus wegen eines falschen Vorgehens „ins Angesicht“ widerstanden (vgl. Galater 2,11-14), was er sicher nicht getan hätte, wenn er gewusst hätte, dass Petrus die Rechte und Vorrechte genießt, die manche heute auf der Grundlage von Matthäus 16,18.19 für ihn beanspruchen.
„Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Der Erlöser hatte die Verkündigung des Evangeliums nicht nur Petrus anvertraut. Zu einem späteren Zeitpunkt wiederholte er die Worte, die er zu Petrus gesagt hatte, und wandte sie unmittelbar auf die Gemeinde an: „Wahrlich, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.“ (Matthäus 18,18). Inhaltlich wurde dasselbe auch zu den Zwölfen gesagt, die als Vertreter aller Gläubigen galten (vgl. Johannes 20,23). Hätte Jesus einem der Jünger eine besondere Vollmacht verliehen, würden sich die Jünger nicht so oft darüber gestritten haben, wer wohl der Größte unter ihnen sei. Sie hätten sich dem Willen ihres Meisters gefügt und den geehrt, den er auserwählt hatte. Anstatt einen zu ihrem Oberhaupt zu ernennen, sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen … und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus.“ (Matthäus 23,8.10) „Christus [ist] das Haupt eines jeden Mannes.“ (1. Korinther 11,3) Gott, der dem Erlöser alles unterstellt hat, „hat Christus als Herrn über die Gemeinde eingesetzt. Die Gemeinde aber ist sein Leib, und sie ist erfüllt von Christus, der alles ganz mit seiner Gegenwart erfüllt“ (Epheser 1,22.23 NLB). Die Gemeinde ist auf Christus gebaut. Er ist ihr Fundament, und sie soll ihm als ihrem Haupt gehorchen. Sie soll sich nicht auf Menschen verlassen oder von Menschen beherrscht werden. Viele meinen, eine Vertrauensstellung in der Gemeinde gäbe ihnen das Recht, anderen vorzuschreiben, was sie zu glauben und zu tun hätten. Diesem Anspruch stimmt Gott nicht zu, denn Jesus erklärte: „Ihr aber seid alle Brüder.“ (Matthäus 23,8) Alle sind Versuchungen ausgesetzt und laufen Gefahr, zu versagen. Wenn es um Führung geht, können wir uns auf kein sterbliches Wesen verlassen. Der Fels des Glaubens in der Gemeinde ist die lebendige Gegenwart von Christus. Darauf kann sich der Schwächste verlassen. Diejenigen, die sich für die Stärksten halten, werden sich als die Schwächsten erweisen, außer wenn sie Christus zu ihrer Stärke machen. „Fluch über alle, die sich von mir abwenden und stattdessen auf die Hilfe vergänglicher Menschen vertrauen!“ (Jeremia 17,5 GNB) Der Herr „ist ein Fels. Seine Werke sind vollkommen“ (5. Mose 32,4). „Wohl allen, die auf ihn trauen!“ (Psalm 2,12)
Was bedeutet also das „binden“ und „lösen“? Damit ist offensichtlich gemeint, dass die Kirche auf Erden nur fordern wird, was der Himmel fordert, und nur verbieten wird, was der Himmel verbietet. Dies scheint die eindeutige Lehre der Heiligen Schrift zu sein (siehe Matthäus 7,21-27; Markus 7,6-13). Als die Apostel auszogen, um das Evangelium zu verkünden, sollten sie gemäß dem ihnen anvertrauten Auftrag (siehe Matthäus 28,19.20) die Bekehrten lehren, „alles zu beachten“, was Christus geboten hatte – nicht mehr und nicht weniger. Die Bedeutung von „binden“ und „lösen“ auf die Autorität auszudehnen, den Mitgliedern der Kirche vorzuschreiben, was sie glauben und was sie in Glaubensangelegenheiten und in der Praxis tun dürfen, bedeutet, in diese Worte Christi mehr hineinzulesen, als er damit gemeint hat, und mehr, als die Jünger damit verstanden haben. Ein solcher Anspruch wird von Gott nicht gebilligt. Die Vertreter Christi auf Erden haben das Recht und die Verantwortung, zu „binden“, was „im Himmel gebunden“ wurde, und zu „lösen“, was „im Himmel gelöst“ wurde, d. h. zu fordern oder zu verbieten, was die Inspiration eindeutig offenbart. Darüber hinauszugehen bedeutet, menschliche Autorität an die Stelle der Autorität Christi zu setzen, eine Tendenz, die der Himmel bei denen nicht dulden wird, die zur Aufsicht über die Bürger des Himmelreichs auf Erden berufen sind.