Vom Schwören & Reden
„Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3. Mose 19,12; 4. Mose 30,3): »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deine Eide halten.« Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.“ (Matthäus 5,33-37)
Die Begründung dieses Gebotes gibt Jesus selbst wie folgt: „Weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel; noch bei Jerusalem, denn sie ist des großen Königs Stadt. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.“
Alles kommt von Gott. Wir besitzen nichts, was wir nicht von ihm empfangen hätten, ja, alles, was wir haben, ist uns durch das Blut Christi erworben worden. All unser Besitz trägt gewissermaßen den Stempel des Kreuzes, ist er uns doch mit dem überaus kostbaren Blut erkauft worden, das als Leben Gottes von uns nie genug gewürdigt werden kann. Deshalb können wir auch zur Bestätigung unseres Wortes nichts verpfänden, weil es ja nicht unser wirkliches Eigentum ist.
Die Juden verstanden das dritte Gebot dahingehend, dass es ihnen den Missbrauch des Namens Gottes untersagte. Dagegen hatten sie keine Bedenken, andere Eide anzuwenden. Der Schwur war ihnen etwas Alltägliches. Mose hatte ihnen den Falscheid verboten; aber sie hatten viele Hintertüren, durch die sie sich ihren eidlichen Verpflichtungen entzogen. Sie scheuten den ärgsten Missbrauch nicht, schreckten selbst vor dem Meineid nicht zurück, wenn er sich durch schlaue Umgehung des Gesetzes bemänteln ließ.
Jesus verurteilte solche Unsitten und sagte ihnen deutlich, das diese Anwendung des Eides eine Verletzung des Gottesgebotes sei. Damit untersagte unser Heiland jedoch nicht die Anwendung des Eides vor Gericht, wobei Gott feierlich als Zeuge dafür angerufen wird, dass die gemachte Aussage lautere Wahrheit sei. Hat Jesus selber doch bei seinem Verhör vor dem Hohen Rat die eidliche Aussage nicht verweigert. Der Hohepriester forderte ihn auf: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott; dass du uns sagest, ob du seist der Christus, der Sohn Gottes.“ Jesus antwortete „Du sagst es.“ (Matthäus 26,63.64) Hätte Jesus in der Bergpredigt den Eid vor Gericht verworfen, so wäre bei seinem Verhör eine Zurechtweisung des Hohenpriesters zu erwarten gewesen, was zunutze seiner Jünger seine Lehre bekräftigt haben würde. Gar viele scheuen sich nicht, ihre Mitmenschen zu betrügen, während sie darüber belehrt und auch vom Heiligen Geist gemahnt worden sind, dass es entsetzlich sei, ihren Schöpfer zu belügen. Sollen sie einen Eid ablegen, so wird ihnen eingeschärft, dass sie nicht bloß vor Menschen, sondern auch vor Gott ihr Zeugnis geben, dass sie im Falle falschen Zeugnisses ja vor dem Herzenskündiger stehen, dem die volle Wahrheit bekannt ist. Die Kenntnis der schrecklichen Folgen einer solchen Sünde übt einen hemmenden Einfluss auf sie aus.
Wenn irgend jemand einen Eid leisten kann, dann ist es ganz gewiss der Christ. Er führt sein Leben beständig vor Gott und ist sich darüber klar, dass alle seine Gedanken dem offenbar sind, mit dem er sich verbunden weiß. Nötigt ihn das Gesetz zum Schwur, so darf er sehr wohl Gott zum Zeugen anrufen dafür, dass seine Aussage auf reiner Wahrheit beruhe.
Im folgenden stellte Jesus einen Grundsatz auf, durch den sich der Schwur erübrigen sollte. Wir sollen die Wahrheit zur Richtschnur unserer Worte machen: „Eure Rede aber sei Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“
Damit ist ein Werturteil über alle bedeutungslosen Redensarten und Ausdrücke abgegeben, die sich an der Grenze des Missbrauchs bewegen. Dahin gehören alle unaufrichtigen Höflichkeitsformeln, alle Abweichungen vom wahren Sachverhalt, alle schmeichlerischen und übertriebenen Ausdrücke, die lügnerischen Warenanpreisungen, wie sie im gesellschaftlichen und geschäftlichen Leben üblich sind. Jenes Wort macht alle zu Lügnern, die etwas anderes scheinen wollen, als sie sind, oder deren Worte nicht den tatsächlichen Empfindungen des Herzens entsprechen.
Wenn man diesem Wort Christi Beachtung schenkte, würde manche schlechte Meinung und unfreundliche Herabsetzung unausgesprochen bleiben. Wer könnte wohl, wenn er Handlungen und Beweggründe eines andern beurteilt, behaupten, dass seine Darstellung der Wahrheit gerecht wird? Wie oft ist das Urteil durch Leidenschaft, Stolz und persönliche Empfindsamkeit getrübt! Ein Blick, ein Wort, selbst der Klang der Stimme können mit Falschheit geladen sein. Ja selbst Tatsachen können so geschildert werden, dass ein falscher Eindruck entsteht. Bedenke: „Was darüber ist“ nämlich über der Wahrheit, „das ist vom Übel.“
Alles Tun des Christen sollte so klar sein wie die Sonne. Die Wahrheit ist aus Gott; die Lüge in ihrer tausendfachen Gestalt stammt vom Teufel. Wer irgendwie vom festen Pfad der Wahrheit weicht, liefert sich der Gewalt des Bösen aus. Es ist aber auch wirklich nicht so leicht, immer die unverfälschte Wahrheit zu reden. Wir können die Wahrheit nicht reden, wenn wir sie nicht kennen. Wie oft hindern uns vorgefasste Meinungen, einseitiger Standpunkt, mangelhafte Kenntnis und irriges Urteil am richtigen Verstehen der Angelegenheiten, mit denen wir zu tun haben! Wir können die Wahrheit nicht reden, wenn unser Geist nicht dauernd unter der Führung dessen steht, der die Wahrheit ist.
Christus ermahnt uns durch den Apostel Paulus: „Eure Rede sei allezeit lieblich.“ (Kolosser 4,6) „Lasst kein faul Geschwätz aus eurem Munde gehen, sondern was gut ist und das Nötige fördert, das redet, auf dass es Segen bringe denen, die es hören.“ (Epheser 4,29) Im Lichte dieser Bibelstellen betrachtet, ist das Wort Jesu in der Bergpredigt eine Ablehnung von Witzen, Albernheiten und unsauberem Geschwätz. Es fordert von unserer Rede nicht nur Wahrheit, sondern auch Reinheit.
Wer von Christus gelernt hat, wird „nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis“ (Epheser 5,11) haben. Seine Worte und sein Leben werden einfach, offen und wahr sein, bereitet er sich doch auf die Gemeinschaft der Heiligen vor, in deren „Munde ist kein Falsch gefunden“. (Offenbarung 14,5)