Vom Ehebruch

Vom Ehebruch

„Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2. Mose 20,14): »Du sollst nicht ehebrechen.« Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.Wenn dich aber dein rechtes Auge verführt, so reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde. Wenn dich deine rechte Hand verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre. Es ist auch gesagt (5. Mose 24,1): »Wer sich von seiner Frau scheidet, der soll ihr einen Scheidebrief geben.« Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Unzucht, der macht, dass sie die Ehe bricht; und wer eine Geschiedene heiratet, der bricht die Ehe.“ (Matthäus 5,27-32)

Die Juden waren stolz auf ihre Sittenhaftigkeit und schauten mit Entsetzen auf die sinnlichen Gewohnheiten der Heiden. Die Anwesenheit der römischen Beamten, die durch kaiserliche Verfügung nach Palästina gekommen waren, bereitete den Einheimischen dauernd Ärgernis; hatten doch die Fremden heidnische Sitten, Lüste und liederliches Leben ins Land gebracht. In Kapernaum führten die römischen Beamten offen ihre aufgeputzten Geliebten aus. Die Stille des Sees wurde oft durch ausgelassenes Rufen unterbrochen, das von den Vergnügungsbooten herüberkam, die über das stille Wasser glitten. Die Zuhörerschar Jesu erwartete von ihm eine scharfe Verurteilung dieser Art von Menschen; statt dessen mussten sie zu ihrer Verwunderung wahrnehmen, dass er die Schlechtigkeit ihrer eigenen Herzen bloßlegte.

Wenn jemand böse Gedanken hegt und pflegt, selbst in der geheimsten Kammer seines Herzens, ist das nach Jesu Wort ein Zeichen, dass die Sünde im Herzen regiert. Die Seele ist noch voller Bitterkeit des Bösen, liegt noch in Banden der Sünde. Wer Vergnügen daran findet, unsaubere Gedanken zu pflegen, wer sich lüsterne Blicke erlaubt, der sei sich darüber klar, dass das von ihm in der Herzenskammer verborgene Übel der offenen Sünde nicht nachsteht, die mit Schande belastet und das Herz in Kummer zerschlägt. Nicht erst die Versuchung, die jemand zu Fall bringen mag, erzeugt das Böse, das nun zutage tritt; sie bringt vielmehr nur ans Licht, was schon geheim im Herzen lag.
„Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus quillt das Leben.“ (Sprüche 4,23) „Denn nicht sieht der Herr auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ (1.Samuel 16,7)

„Wenn dir deine rechte Hand Ärgernis schafft, so haue sie ab und wirf sie von dir“
Um das Übergreifen einer tödlichen Vergiftung oder Krankheit auf den ganzen Körper zu verhindern, würde sich jedermann die rechte Hand abnehmen lassen. Wieviel mehr sollte man zur Aufgabe dessen bereit sein, was unser ewiges Leben gefährdet!
Durch das Evangelium sollen verkommene und vom Satan geknechtete Seelen erlöst werden, um zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes zu gelangen. Es ist nicht nur Gottes Absicht, sie von den unausbleiblichen Problemen zu befreien, die im Gefolge der Sünde auftreten, sondern sie auch von der Sünde selbst zu erretten. Die mit Unflat bedeckte und entartete Seele soll geläutert und umgestaltet, soll mit der Schönheit des Herrn, unseres Gottes, angetan werden, dass sie „dem Ebenbilde seines Sohnes“ (Römer 8,29) gleiche.
„Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ (1.Korinther 2,9) Erst in der Ewigkeit werden wir einen Begriff davon bekommen, wie herrlich die Bestimmung des zu Gottes Ebenbild wiederhergestellten Menschen ist.
Um dieses hohe Ziel zu erreichen, muss alles, was die Seele behindert, geopfert werden. Die Sünde übt nur in dem Maße Herrschaft über uns aus, wie wir ihr den Willen lassen. Für die Übergabe des Willens an Gott wird das Bild vom Ausreißen des Auges oder Abhacken der Hand gebraucht. Oft meinen wir, sich dem Willen Gottes zu unterwerfen, bedeute, verstümmelt oder verkrüppelt durchs Leben zu gehen. Aber Jesus spricht, es sei besser, dass das Ich verstümmelt, verwundet und verkrüppelt werde, als dass das ewige Leben verlorengehe. Was dir als Missgeschick erscheinen mag, ist Zugang zu höchster Glückseligkeit.

Gott ist die Quelle des Lebens; deshalb können wir nur dann Leben haben, wenn wir mit ihm verbunden sind. Von Gott geschieden, mögen wir unser kurzes Dasein fristen, Leben besitzen wir jedoch nicht. „Welche aber ihren Lüsten lebt, die ist lebendig tot.“ (1.Timotheus 5,6) Nur dadurch, dass wir unseren Willen Gott ganz unterwerfen, kann er uns Leben verleihen. Nur wenn wir durch Selbsthingabe sein Leben empfangen, ist es nach dem Wort Jesu möglich, die von ihm angedeuteten geheimen Sünden zu überwinden. Es ist zwar auch möglich, dass wir sie tief in unserem Herzen begraben und sie auf diese Weise vor den Augen der Menschen zu verbergen suchen; doch wie wollen wir so vor Gott bestehen?
Wenn der Mensch sich auf sich selbst verlässt und seinen Willen nicht Gott unterordnen will, wählt er den Tod. Gott ist der Sünde, wo er sie auch findet, ein verzehrendes Feuer. Wer die Sünde erwählt und sich nicht von ihr trennen will, den wird somit auch der sündenverzehrende Gott vertilgen.

Gewiss kostet es Opfer, wenn du dich Gott übergibst. Aber es wird ja hier Geringes dem Höheren dargebracht, Irdisches dem Geistlichen, Sterbliches dem Ewigen. Und doch will Gott auch nicht unseren Willen vernichten; denn nur durch Willensanspannung ist es uns möglich, seinen Willen auszuführen. Wir sollen unseren Willen nur in seinen Dienst stellen; er will ihn uns geläutert und gereinigt wiedergeben. Hat er ihn auf seinen göttlichen Willen abgestimmt, dann kann er Fluten von Liebe und Kraft durch uns ausgießen. Wie sauer und beschwerlich diese Übergabe auch dem eigensinnigen und halsstarrigen Herzen vorkommen mag, gilt ihm dennoch das Wort: „Es ist dir besser.“
Jakob begriff den Sieg des überwindenden Glaubens erst, als er sich dem Engel des Bundes hilflos und lahm an die Brust geworfen hatte. Nun war er auch des göttlichen Fürstentums würdig. Als Jakob „hinkte an seiner Hüfte“ (1.Mose 32,32), standen Esaus Bewaffnete stille vor ihm, und Pharao, der stolze Erbe aus königlichem Geblüt, beugte sich vor ihm, seinen Segen zu erbitten. So wurde auch der „Herzog ihrer Seligkeit, durch Leiden“ vollkommen gemacht. (Hebräer 2,10) Die Kinder des Glaubens „sind kräftig geworden aus der Schwachheit und haben der Fremden Heere zum Weichen gebracht“. (Hebräer 11,34) So werden „auch die Lahmen … plündern“ (Jesaja 33,23), die Schwachen wie „David“ werden und „das Haus David … wie der Engel des Herrn“. (Sacharja 12,8)

„Ist’s auch recht, dass sich ein Mann scheide von seiner Frau?“
Bei den Juden war es zulässig, dass ein Mann wegen irgendeiner geringfügigen Ursache die Ehescheidung vollziehen konnte, wonach es der Frau freistand, sich wieder zu verheiraten. Diese Sitte hatte aber großes Elend und viele Sünden im Gefolge. Jesus sprach es in der Bergpredigt ganz klar aus, dass die Auflösung der ehelichen Verbindung unstatthaft sei, wenn es sich nicht gerade um Treubruch der einen Seite handelt. Er sagte später einmal: „Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn um der Hurerei willen, und freit eine andere, der bricht die Ehe.“ (Matthäus 19,9)
Als die Pharisäer einst den Herrn fragten, ob die Scheidung erlaubt sei, wies er sie auf die Einsetzung der Ehe bei der Schöpfung hin: „Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, um eures Herzens Härtigkeit willen; von Anbeginn aber ist’s nicht so gewesen.“ (Matthäus 19,8) Er führte sie in die seligen Tage von Eden zurück, als Gott alles als „sehr gut“ bezeichnet hatte. Ehe und Sabbat nahmen dort ihren Ursprung, beide zur Verherrlichung Gottes und zum Segen der Menschheit bestimmt. Als der Schöpfer die Hände des heiligen Paares zum Ehebund vereinigte und das Wort sprach: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden sein ein Fleisch“ (1.Mose 2,24), schuf er das Gesetz der Ehe für alle Adamskinder bis ans Ende der Zeit. Und was der himmlische Vater selbst als gut bezeichnet hatte, war ein Gesetz, das dem Menschen zu größtem Segen und höchster Entwicklung verhelfen sollte.
Wie alle andern guten Gaben Gottes, die der Menschheit als heilig zu hütendes Gut anvertraut wurden, ist auch die Ehe durch die Sünde verdorben worden. Doch das Evangelium zielt darauf ab, ihre Reinheit und Schönheit wiederherzustellen. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird die eheliche Verbindung als Bild für den innigen und heiligen Bund gebraucht, der zwischen Christus und seinem Volk, den Erlösten nämlich, besteht, die er um den Preis von Golgatha erkauft hat. „Fürchte dich nicht“, spricht er, „… denn der dich gemacht hat, ist dein Mann Herr Zebaoth heißt sein Name, und dein Erlöser ist der Heilige Israels.“ (Jesaja 54,4.5) „Kehrt um, ihr abtrünnigen Kinder, spricht der Herr, denn ich bin euer Herr!“ (Jeremia 3,14) Aus dem Hohelied klingt uns die Stimme der Braut entgegen: „Mein Freund ist mein, und ich bin sein.“ (Hohelied 2,16) Und der ihr „auserkoren unter vielen Tausenden“ und „lieblich“ ist (Hohelied 5,10.16), sagt: „Du bist wunderbar schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir.“ (Hohelied 4,7)

In dem Brief des Apostels Paulus an die Christen zu Ephesus lesen wir, dass der Herr den Mann zum Haupt des Weibes gemacht habe, ihr Beschützer zu sein und die Familie zusammenzuhalten, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde und der Heiland des geheimnisvollen Leibes sei. Deshalb spricht der Apostel „Wie nun die Gemeinde ist Christus untertan, so seien es auch die Frauen ihren Männern in allen Dingen. Ihr Männer, liebet eure Frauen, gleichwie auch Christus geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben, auf dass er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auf dass er sie sich selbst darstellte als eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen, sondern dass sie heilig sei und unsträflich. So sollen auch die Männer ihre Frauen lieben.“ (Epheser 5,24-28)
Die Gnade Christi allein kann die Ehe zu dem machen, was sie nach dem Willen Gottes sein soll; eine Gemeinschaft, die der Menschheit Segen und Auftrieb verleiht. Solche Familien auf Erden stellen zusammen durch ihre Einigkeit, ihren Frieden und ihre Liebe die höhere, die himmlische Familie dar. Doch genau wie in den Tagen Christi sind auch heute die gesellschaftlichen Verhältnisse so beschaffen, dass nur eine traurige Verunstaltung vom göttlichen Edelbild dieses heiligen Bundes übrigbleibt. Bei alledem aber bietet die Heilsbotschaft Christi denen einen Trost, die Enttäuschung und Bitterkeit empfinden mussten, obwohl sie Kameradschaft und Glück zu erjagen hofften. Geduld und Edelmut, die Christi Geist mitteilt, werden ihr bitteres Los versüßen. Ein Herz, worin Christus Wohnung genommen hat, wird seiner Liebe so voll und zufrieden, dass es sich nicht mehr in dem Wunsche verzehren kann, anderer Beachtung und Teilnahme auf sich gelenkt zu sehen. Durch die Hingabe der Seele an Gott kann seine Weisheit an ihr vollbringen, was menschlicher Weisheit unmöglich ist. Durch die Offenbarung seiner Gnade können Herzen, zwischen denen es fremd und kalt geworden war, durch festere und dauerhaftere als irdische Bande zusammengefügt werden, nämlich durch die goldenen Bande einer Liebe, die sich in der Versuchung bewährt.

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