Rettender Glaube
„Möchte ich nur sein Kleid anrühren, so würde ich gesund.“ (Matthäus 9,21) Eine arme Frau sprach diese Worte – eine Frau, welche zwölf Jahre an einer Krankheit gelitten hatte, die ihr Leben zu einer Last machte. Sie hatte all ihr Gut an Ärzte und Heilmittel gewendet, aber nur um für unheilbar erklärt zu werden. Als sie aber von dem großen Arzt hörte, wurde ihre Hoffnung wiederbelebt. Sie dachte, „wenn ich ihm nur nahe genug kommen könnte, um mit ihm zu sprechen, so könnte ich geheilt werden.“ Christus war auf dem Wege nach dem Hause des Jairus, des jüdischen Obersten, welcher ihn gebeten hatte, zu kommen, um seine Tochter gesund zu machen. Die dringende Bitte: „Meine Tochter ist in den letzten Zügen; du wollest kommen und deine Hand auf sie legen, dass sie gesund werde und lebe“ (Markus 5,23), hatte das zärtliche, mitleidsvolle Herz Christi gerührt und er machte sich sofort mit dem Obersten nach seinem Hause auf.
Sie kamen nur langsam vorwärts, denn die Menge drängte Christum von allen Seiten. Auf seinem Weg durch die Menge kam der Heiland in die Nähe, wo das betrübte Weib stand. Vergebens hatte sie immer wieder versucht, sich ihm zu nähern. Nun war ihre Gelegenheit gekommen, aber sie konnte kein Mittel sehen, zu ihm zu sprechen. Sie wollte nicht versuchen, sein langsames Vorwärtskommen zu hindern. Sie hatte aber gehört, dass man von einer Berührung seines Kleides geheilt würde und aus Furcht, ihre einzige Gelegenheit zur Befreiung von ihrem Leiden zu verlieren, drängte sie sich vorwärts, indem sie sich selbst sagte: „Möchte ich nur sein Kleid anrühren, so würde ich gesund.“ Christus kannte jeden Gedanken ihres Herzens und er bahnte sich seinen Weg, wo sie stand. Er erkannte ihr großes Bedürfnis und half ihr, Glauben zu üben.
Als er vorüberging, beugte sie sich vorwärts und hatte den Erfolg, dass sie eben den Saum seines Kleides berühren konnte. In demselben Augenblick wusste sie, dass sie geheilt war. In jener einen Berührung war der Glaube ihres Lebens vereinigt und augenblicklich schwanden ihre Schmerzen und ihre Schwäche. Sofort fühlte sie ein Beben wie von einem elektrischen Strom, der durch jede Faser ihres Wesens ging. Es kam ein Gefühl vollkommener Gesundheit über sie. „Sie fühlte es am Leibe, dass sie von ihrer Plage war gesund geworden.“ (Markus 5,29)
Sie wollte gern dem mächtigen Helfer ihren Dank aussprechen, der in einer Berührung mehr für sie getan hatte als die Ärzte in zwölf langen Jahren getan hatten, aber sie wagte es nicht. Mit dankbarem Herzen versuchte sie, sich von der Menge zurückzuziehen. Plötzlich hielt Jesus inne, blickte sich um und fragte: „Wer hat mich angerührt?“ Petrus sah ihn erstaunt an und antwortete: „Meister, das Volk dränget und drücket dich, und du sprichst: Wer hat mich angerühret?“ (Lukas 8,45) „Jesus aber sprach: Es hat mich jemand angerühret; denn ich fühle, dass eine Kraft von mir gegangen ist.“ (Lukas 8,46) Er konnte die Glaubensberührung von der zufälligen Berührung der achtlosen Menge unterscheiden. Es hatte ihn jemand mit bestimmter Absicht angerührt und hatte Antwort empfangen. Christus stellte die Frage nicht, um sich Auskunft zu verschaffen; es sollte eine Lehre für das Volk, für seine Jünger und für die Frau sein. Er wünschte die Betrübten mit Hoffnung zu erfüllen, er wollte zeigen, dass es der Glaube war, welcher die heilende Kraft verliehen hatte. Das Vertrauen des Weibes sollte nicht unerwähnt übergangen werden. Gott sollte durch ihr dankbares Bekenntnis verherrlicht werden. Christus wünschte, dass sie verstehen möchte, dass er ihre Glaubenstat gut hieß. Er wollte sie nicht mit einem halben Segen gehen lassen. Sie sollte nicht in Unwissenheit darüber bleiben, dass er ihr Leiden kannte, noch von seiner teilnehmenden Liebe und seiner Würdigung ihres Glaubens in seine Macht, alle zu retten, die zu ihm kommen.
Indem Jesus auf das Weib blickte, bekundete er dadurch, dass er wisse, wer ihn angerührt habe. Da sie sah, dass ein Verheimlichen unmöglich war, trat sie hervor und warf sich ihm zu Füßen. Mit Dankestränen erzählte sie ihm vor allem Volk, warum sie sein Kleid berührt habe und wie sie sofort geheilt worden sei. Sie fürchtete, dass ihre Tat, indem sie sein Gewand berührte, eine Vermessenheit gewesen sei, aber kein Wort des Tadels kam von den Lippen Christi. Er sprach nur Worte der Billigung welche aus einem Herzen voll Liebe kamen, erfüllt mit Teilnahme für menschliches Weh. Freundlich sprach er zu ihr: „Sei getrost meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin mit Frieden.“ (Lukas 8,48) Wie tröstlich klangen ihr diese Worte, keine Furcht, dass sie ihn beleidigt habe, verbitterte ihre Freude. Der neugierigen Menge, welche Jesum umdrängte, wurde keine Lebenskraft mitgeteilt, aber das kranke Weib, dass ihn im Glauben berührte, empfing Heilung. So unterscheidet sich in geistigen Dingen die zufällige Berührung von der Berührung des Glaubens. Nur zu Glauben, dass Christus der Heiland der Welt sei, kann der Seele niemals Heilung bringen. Der Glaube zur Seligkeit besteht nicht nur darin, dass man der Wahrheit des Evangeliums zustimmt. Wahrer Glaube ist ein Glaube, welcher Christum als persönlichen Heiland annimmt. Gott gab seinen eingeborenen Sohn, damit ich durch den Glauben an ihn nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe.( Johannes 3,16) Wenn ich in Übereinstimmung mit seinem Wort zu Christo komme, muss ich glauben, dass ich seine rettende Gnade empfange. Das Leben, welches ich jetzt lebe, soll ich leben durch den Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebet und sich selbst für mich dargegeben hat. (Galater 2,20)
Viele halten Glauben für ein Meinen. Rettender Glaube ist eine Handlung, durch welche diejenigen, welche Christum annehmen, in ein Bundesverhältnis mit Gott treten. Ein lebendiger Glaube bedeutet eine Zunahme an Lebenskraft, an gläubigem Vertrauen, wodurch die Seele durch Christi Gnade eine überwindende Macht wird. Der Glaube ist ein stärkerer Überwinder als selbst der Tod. Wenn die Kranken dahin gebracht werden können, ihre Augen im Glauben auf den mächtigen Helfer zu richten, anstatt abwärts in das Grab zu blicken, werden wir wunderbare Erfolge sehen; es wird Körper und Seele Leben bringen.
In der Arbeit für die Opfer schlechter Gewohnheiten richte man ihre Augen auf Jesum, anstatt sie auf das Verderben und die Verzweiflung hinzuweisen, welchen sie entgegen eilen. Lasst sie auf die Herrlichkeit himmlischer Dinge schauen. Dies wird mehr für die Errettung von Leib und Seele tun, als alle Schrecken des Grabes, welche den Hilflosen und scheinbar Hoffnungslosen vorgehalten werden können.
Der römische Hauptmann
Eines Hauptmannes Knecht lag an der Gicht krank. Unter den Römern waren die Knechte Sklaven, auf den Märkten gekauft und verkauft und wurden oft schmählich und grausam behandelt; aber der Hauptmann war zärtlich besorgt um seinen Knecht und wünschte sehr dessen Wiederherstellung. Er glaubte, dass Jesus ihn heilen könnte, er hatte den Heiland nicht gesehen, aber was er von ihm gehört hatte, erfüllte ihn mit Glauben. Dieser Römer war trotz des Formenwesens der Juden überzeugt, dass ihre Religion seine eigene übertreffe. Er hatte schon die Schranken nationalen Vorurteils und Hasses gebrochen, welche die Sieger von dem besiegten Volke trennten. Er hatte Achtung für die Gottesdienste offenbart und den Juden als Anbetern Gottes Freundlichkeit erwiesen. Er hatte in den Lehren Christi, die man ihm berichtete, das gefunden, was dem Bedürfnis der Seele entsprach. Sein Inneres, soweit es geistlich gesinnt war, stimmte den Worten des Heilandes zu. Aber er hielt sich selbst für unwürdig, Jesu nahe zu treten und wandte sich an die jüdischen Ältesten, ihn um die Heilung seines Knechtes zu bitten. Die Ältesten legten den Fall Jesu vor und sprachen: „Er ist es wert, dass du ihm das erzeigest; denn er hat unser Volk lieb, und die Schule hat er uns erbaut.“ (Lukas 7,4.5) Aber auf dem Weg zu des Hauptmannes Hause empfing Jesus eine Botschaft von dem Hauptmann selbst: „Ach Herr, bemühe dich nicht; ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehest.“ (Lukas 7,6) Der Heiland ging aber noch immer weiter und der Hauptmann kam persönlich, um die Botschaft zu vervollständigen und sagte: „Darum habe ich auch mich selbst nicht würdig geachtet, dass ich zu dir käme; sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe unter mir Kriegsknechte; und wenn ich sage zu einem: Gehe hin! so gehet er; und zum andern: Komm her! so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das! so tut er’s.“ (Lukas 7,6-8; Matthäus 8,8.9) „Ich vertrete die Macht Roms und meine Soldaten erkennen meine Autorität als die erste. So vertrittst du die Macht des unendlichen Gottes und alles Erschaffene gehorcht deinem Wort. Du kannst der Krankheit gebieten zu weichen, und sie wird dir gehorchen. Sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund werden.“ „Dir geschehe, wie du geglaubt hast,“ sagte Christus, „und sein Knecht ward gesund zu derselben Stunde.“ (Matthäus 8,13)
Die jüdischen Ältesten hatten den Hauptmann zu Christo gewiesen wegen der Gunstbezeugungen, die er „unserem Volk“ erwiesen hatte. „Er ist es wert,“ sagten sie, denn „die Schule hat er uns erbauet.“ Aber der Hauptmann sagte von sich selbst: „Ich bin nicht wert.“ Doch fürchtete er sich nicht, Hilfe von Jesus zu erbitten. Er vertraute nicht auf sein eigenes Gutsein, sondern auf des Heilandes Gnade. Alles was er vorbringen konnte, war seine große Not. Jedes menschliche Wesen kann auf dieselbe Weise zu Christo kommen. „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit“ (Titus 3,5) machte er uns selig. Denkst du, dass du nicht hoffen kannst, Segen von Gott zu empfangen, weil du ein Sünder bist? Gedenke daran, dass Christus in die Welt kam, Sünder selig zu machen. Wir haben nichts, was uns vor Gott empfehlen könnte; die einzige Bitte, welche wir je vorbringen können, ist unser gänzlich hilfloser Zustand, welcher seine erlösende Kraft zu einer Notwendigkeit macht. Indem wir alle Selbständigkeit aufgeben, können wir auf das Kreuz auf Golgatha blicken und sagen: „So wie ich bin, nichts bringe ich, Nur an das Kreuz fest halt‘ ich mich.“ „Wenn du könntest glauben; alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ (Markus 9,23) Der Glaube verbindet uns mit dem Himmel und verleiht uns Kraft, mit den Mächten der Finsternis den Kampf aufzunehmen. Gott hat in Christus die Möglichkeit geboten, jeden bösen Charakterzug zu unterdrücken und jeder Versuchung zu widerstehen, wie stark sie auch sei. Aber viele fühlen, dass ihnen Glaube fehlt und deshalb bleiben sie von Christo fern. Diese Seelen sollten sich in ihrer hilflosen Unwürdigkeit auf die Gnade ihres mitleidsvollen Heilandes verlassen. Schaut nicht auf euch selbst, sondern auf Christum. Er, der die Kranken heilte und die Teufel austrieb, während er unter den Menschen wandelte, ist noch derselbe mächtige Erlöser. Deshalb ergreift seine Verheißungen wie Blätter vom Baum des Lebens: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ (Johannes 6,37) Wenn ihr zu ihm kommt, so glaubt, dass er euch annimmt, weil er es verheißen hat. Ihr könnt niemals verloren gehen, wenn ihr dies tut — niemals.„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Römer 5,8) „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Römer 8,31.32) „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Römer 8,38.39)
Der Aussätzige
Von allen im Osten bekannten Krankheiten war der Aussatz die gefürchtetste. Ihr unheilbarer und ansteckender Charakter, sowie ihre schrecklichen Folgen auf ihre Opfer erfüllten das mutigste Herz mit Furcht. Unter den Juden wurde er als eine Strafe der Sünde angesehen und deshalb „die Geißel“ oder „der Finger Gottes“ genannt. Da der Aussatz tief gewurzelt, unausrottbar und tödlich ist, betrachtete man ihn als ein Symbol der Sünde. Der Aussätzige wurde im levitischen Gesetz für unrein erklärt, alles was er berührte war unrein, die Luft wurde durch seinen Atem verunreinigt, er wurde gleich einem bereits Toten von der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Wenn von einem Menschen vermutet wurde, dass er die Krankheit habe, so musste er sich den Priestern vorstellen, welche seinen Fall prüfen und darüber entscheiden mussten. Wurde er als aussätzig erklärt, so wurde er von seiner Familie getrennt, aus der Gemeinschaft Israels ausgeschieden und dazu verurteilt, sich nur mit solchen zu vereinigen, die auf ähnliche Weise erkrankt waren. Selbst Könige und Schriftgelehrte waren nicht davon ausgenommen. Ein Fürst, der von dieser schrecklichen Krankheit ergriffen wurde, musste sein Zepter niederlegen und die Menschen verlassen. Fern von seinen Freunden und seiner Verwandtschaft musste der Aussätzige den Fluch seiner Krankheit tragen. Er war verpflichtet, sein eigenes Elend zu verkünden, seine Kleider zu zerreißen und den Warnungsruf ertönen zu lassen, der alle mahnte, dem verderblichen Einfluss seiner Gegenwart zu entfliehen. Der Ruf „unrein! unrein!“, der in klagendem Ton von den einsamen Verbannten ertönte, war ein Signal, welches mit Furcht und Schrecken vernommen wurde. In der Gegend, wo der Heiland wirkte, waren viele dieser Leidenden und als die Botschaft seiner Werke ihr Ohr erreichte, war unter ihnen einer, in dessen Herzen der Glaube aufging, wenn er zu Jesus gehen könnte, würde er geheilt werden. Aber wie sollte er Jesum finden? Zu beständiger Absonderung verurteilt, wie konnte er sich dem Helfer vorstellen? Und würde Christus ihn heilen, würde er nicht gleich den Pharisäern und Ärzten einen Fluch über ihn aussprechen und ihn warnen, von den Behausungen der Menschen zu fliehen?
Er dachte an alles, was ihm von Jesus gesagte worden war. Nicht einer von denen, die seine Hilfe gesucht hatten, war abgewiesen worden. Der elende Mensch entschloss sich, den Heiland zu finden. Obgleich er von den Städten ausgeschlossen war, war es vielleicht möglich, dass er seinen Pfad auf einem Nebenweg, den Bergpfad entlang, kreuzen konnte, oder dass er ihn fand, wenn er außerhalb der Städte lehrte. Die Schwierigkeiten waren groß, aber dies war seine einzige Hoffnung. Aus der Ferne erhascht der Aussätzige einige Worte von den Lippen des Heilandes. Er sieht, wie er seine Hand auf die Kranken legt, er sieht, wie der Lahme, der Blinde, der Gichtbrüchige und die an verschiedenen Krankheiten litten, sich in Gesundheit erhoben und Gott für ihre Erlösung dankten. Sein Glaube wird stärker, näher und immer näher kommt er der lauschenden Menge. Die ihm auferlegte Zurückhaltung, die Sicherheit des Volkes, die Furcht, mit der man ihn betrachtet, alles vergisst er. Er denkt nur an die Hoffnung, geheilt zu werden. Er bietet einen ekelhaften Anblick. Die Krankheit hat furchtbar gewütet und sein absterbender Körper ist schrecklich anzusehen. Bei seinem Anblick weicht das Volk zurück. In ihrem Schrecken drängen sie sich einander, um der Berührung mit ihm zu entfliehen. Etliche versuchen, ihn daran zu hindern, sich Jesus zu nähern, aber vergeblich. Er sieht und hört sie nicht. Ihre Ausrufe des Abscheus prallen an ihm ab, er sieht nur den Sohn Gottes, er hört nur die Stimme, welche den Sterbenden Leben gibt. Sich zu Jesus drängend, wirft er sich ihm zu Füßen mit dem Ausruf: „Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen!“ (Matthäus 8,2) Und Jesus erwidert: „Ich will’s tun, sei gereinigt!“ (Matthäus 8,3) und legte seine Hand auf ihn.
Augenblicklich geht eine Veränderung mit dem Aussätzigen vor; sein Blut wird gesund, die Nerven empfinden wieder, die Muskeln werden stramm. Die unnatürliche weiße, schuppige Oberfläche, die dem Aussatz eigen ist, verschwindet und sein Fleisch wird wie das Fleisch eines kleinen Kindes. Würden die Priester die Tatsachen erfahren, wie der Aussätzige geheilt worden war, so könnte ihr Hass gegen Jesum sie derart verblenden, ein falsches Urteil zu fällen. Der Heiland wünschte, dass eine unparteiische Entscheidung gesichert würde; deshalb gebot er dem Menschen, niemand von der Heilung zu erzählen, sondern sich unverzüglich nach dem Tempel zu begeben, sich dem Priester zu zeigen und die von Mose befohlene Gabe zu opfern, ehe irgend welche Gerüchte betreffs des Wunders laut würden. Ehe die Priester ein solches Opfer annehmen konnten, mussten sie den Darbringer untersuchen und seine vollständige Wiederherstellung bezeugen. Diese Untersuchung fand statt; die Priester, welche den Aussätzigen zur Verbannung verurteilt hatten, bezeugten seine Heilung. Der geheilte Mensch wurde seinem Hause und seiner Umgebung wieder geschenkt. Er fühlte, dass das Geschenk seiner Gesundheit ihm sehr köstlich war. Er war wieder der menschlichen Gesellschaft und seiner Familie zurückgegeben. Obgleich der Heiland ihn zur Vorsicht gemahnt hatte, konnte er doch die Tatsache seiner Heilung nicht verschweigen und wo er hinkam, verkündigte er freudig die Macht dessen, der ihn geheilt hatte.
Als dieser Mann zu Jesu kam, war er voller Aussatz; das tödliche Gift desselben durchdrang seinen ganzen Körper. Die Jünger suchten den Meister an seiner Berührung zu hindern, denn wer einen Aussätzigen anrührte, wurde selber unrein. Aber Jesus wurde nicht verunreinigt als er seine Hand auf den Aussätzigen legte. Der Aussatz wurde gereinigt. So ist es mit dem Aussatz der Sünde – tief gewurzelt, tödlich, unmöglich, durch menschliche Macht gereinigt zu werden. „Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihm, sondern Wunden und Striemen und Eiterbeulen.“ (Jesaja 1,5.6) Aber als Jesus kam, um unter der Menschheit zu wandeln, wurde er nicht davon befleckt. Von seiner Person ging Heilkraft für den Sünder aus. Wer zu seinen Füßen fällt und im Glauben spricht: „Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen,“ wird die Antwort vernehmen: „Ich will’s tun, sei gereinigt.“ In einigen Fällen gewährte Jesus nicht sofort den erbetenen Segen; aber in dem Falle des Aussatzes wurde die Bitte gewährt, sobald sie nur ausgesprochen war. Wenn wir um irdische Segnungen bitten, so mag sich die Antwort auf unser Gebet verzögern oder Gott mag uns etwas anderes geben als was wir bitten, aber so wird es nicht sein, wenn wir um Befreiung von Sünden bitten. Es ist sein Wille, uns von der Sünde zu reinigen, uns zu seinen Kindern zu machen und uns zu befähigen, ein heiliges Leben zu führen. Christus gab sich selbst für unsere Sünden, „dass er uns errettete von dieser gegenwärtigen argen Welt nach dem Willen Gottes und unseres Vaters.“ „Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, dass, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und so wir wissen, dass er uns hört, was wir bitten, so wissen wir, dass wir die Bitten haben, die wir von ihm gebeten haben.“ (Galater 1,4; 1.Johannes 5,14.15)
Ihr werdet Ruhe finden
Jesus blickte auf die Betrübten und Beladenen, auf diejenigen, deren Hoffnungen vereitelt und die mit irdischen Freuden das Verlangen der Seele zu stillen suchten und lud alle ein, in ihm Ruhe zu finden. Zärtlich bat er das sich plagende Volk: „Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ (Matthäus 11,29) Diese Worte richtet Christus an alle Menschenkinder, alle sind mühselig und beladen, ob sie es wissen oder nicht. Alle werden von Lasten niedergedrückt, die nur Christus entfernen kann. Die schwerste Last, die wir tragen, ist die Last der Sünde. Wenn wir diese Last tragen müssten, würde sie uns zermalmen, aber der Sündlose hat unseren Platz eingenommen. „Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.“ (Jesaja 53,6) Er hat unsere Schuldenlast getragen und will die Last von unseren schwachen Schultern nehmen. Er will uns Ruhe geben; auch die Last der Sorgen und des Kummers will er tragen. Er lädt uns ein, all unsere Sorgen auf ihn zu werfen, denn er trägt uns auf seinem Herzen. Der älteste Bruder des Menschengeschlechts steht bei dem ewigen Throne Gottes, er blickt auf jede Seele, welche ihr Angesicht ihm als dem Heiland zuwendet. Er kennt die Schwächen der Menschheit aus Erfahrung, er kennt unsere Bedürfnisse sowie die Stärke unserer Versuchung; denn er „ist versucht allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde.“ (Hebräer 4,15) Er wacht über dir, du zitterndes Kind Gottes. Wirst du versucht? Er will dich erretten. Bist du schwach? Er will dich stärken. Bist du unwissend? Er will dich erleuchten. Bist du verwundet? Er will dich heilen. Der Herr zählt wohl „die Sterne und nennt sie alle mit Namen,“ er heilt aber auch, „die zerbrochenen Herzens sind und verbindet ihre Schmerzen.“ (Psalm 147,4.3)
Was auch eure Schwierigkeiten und Prüfungen sein mögen, legt euren Fall dem Herrn vor. Euer Geist wird gestärkt werden, es zu ertragen. Der Weg wird sich öffnen, dass ihr euch selbst aus den Verwicklungen und Schwierigkeiten befreien könnt. Je schwächer und hilfloser ihr euch selber wisst, desto stärker stärker werdet ihr in seiner Kraft werden. Je schwerer eure Lasten sind, desto köstlicher wird die Ruhe sein, wenn ihr sie auf den Lastenträger legt. Umstände mögen Freunde trennen; die ruhelosen Wasser des weiten Meeres mögen zwischen uns und ihnen rauschen, aber keine Umstände, keine Entfernung kann uns von dem Heiland trennen. Wo wir auch sein mögen, er ist zu unserer rechten Hand, uns zu helfen, zu stützen und zu trösten. Größer als die Liebe einer Mutter für ihr Kind ist die Liebe Christi für seine Erlösten. Es ist unser Vorrecht, in seiner Liebe zu ruhen, zu sagen: Ich will ihm vertrauen, denn er gab sein Leben für mich. Menschenliebe mag sich ändern; aber die Liebe Christi kennt keine Veränderung. Wenn wir ihn um Hilfe anrufen, so ist seine Hand ausgestreckt, uns zu erretten. „Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; Aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, Und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, Spricht der Herr, dein Erbarmer.“ (Jesaja 54,10)