Das Abendmahl
Matthäus 26,20-29; Markus 14,17-25; Lukas 22,14-23; Johannes 13,18-30
»In der Nacht, als er verraten wurde, nahm Jesus, der Herr, einen Laib Brot, und nachdem er Dank gesagt hatte, brach er ihn und sprach: ›Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut das zur Erinnerung an mich.‹ Ebenso nahm er nach dem Abendmahl den Weinkelch und sprach: ›Dieser Kelch ist der neue Bund zwischen Gott und euch, besiegelt durch mein Blut. Wann immer ihr daraus trinkt, tut es zur Erinnerung an mich.‹ Denn jedes Mal, wenn ihr dieses Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt.« (1. Korinther 11,23b-26 NLB) Christus stand nun am Übergang zweier Systeme und deren großer Feste. Er, das makellose Lamm Gottes, war im Begriff, sich selbst als Sündopfer darzubringen. Damit sollte er die Sinnbilder und Zeremonien, die 4000 Jahre lang auf seinen Tod hingewiesen hatten, zu Ende bringen. Als Jesus mit seinen Jüngern das Passamahl einnahm, ersetzte er es durch die Gedenkfeier, die an sein eigenes großes Opfer erinnern sollte. Das nationale Fest der Juden verlor für immer seine Bedeutung. Doch die Gedenkfeier, die Christus einführte, sollte in allen Ländern und zu allen Zeiten von seinen Nachfolgern begangen werden. Das Passafest war als Erinnerungsfeier an die Befreiung Israels aus der ägyptischen Knechtschaft eingesetzt worden. Gott hatte angeordnet, den Kindern Jahr für Jahr diese Geschichte zu wiederholen, wenn sie nach der Bedeutung dieses Brauches fragten. Dadurch sollte allen die wunderbare Befreiung in guter Erinnerung bleiben. Das Abendmahl wurde nun angeordnet, um der großen Befreiung durch den Tod von Christus zu gedenken. Diese Feier soll so lange begangen werden, bis der Herr zum zweiten Mal in Kraft und Herrlichkeit erscheint. Dadurch soll uns seine große, für uns vollbrachte Tat, in lebendiger Erinnerung bleiben. Zur Zeit ihrer Befreiung aus Ägypten aßen die Israeliten das Passamahl im Stehen. Mit umgürteten Lenden und dem Stab in der Hand waren sie bereit für ihre Reise (vgl. 2. Mose 12,11). Die Art und Weise, wie sie diese Feier begingen, entsprach ihrer damaligen Lage, denn sie standen kurz davor, aus Ägypten auszuziehen und eine mühevolle und schwierige Reise durch die Wüste anzutreten. Doch zur Zeit, als Jesus lebte, waren die Umstände anders. Die Israeliten sollten nicht aus einer fremden Gegend vertrieben werden, sondern wohnten in ihrem eigenen Land. Entsprechend der Ruhe, die ihnen gegeben worden war, (vgl. Josua 1,13), nahm man das Passamahl im Liegen ein. Um den Tisch lagen Kissen verteilt, auf die sich die Gäste niederließen. Indem sie sich auf den linken Arm stützten, hatten sie die rechte Hand zum Essen frei. In dieser Stellung konnte ein Gast seinen Kopf auf die Brust dessen legen, der neben ihm saß. Und die Füße, die am äußeren Rand des Liegekissens waren, konnten von jemandem gewaschen werden, der außen herumging.
Christus saß noch immer am Tisch, auf dem das Passamahl aufgetragen worden war. Die ungesäuerten Brote, die während der Passazeit gegessen wurden, lagen vor ihm. Auch der unvergorene Passawein stand auf dem Tisch. Diese Sinnbilder verwendete Christus, um sein eigenes, makelloses Opfer darzustellen. Nichts, was durch Gärung – das Symbol für Sünde und Tod – verdorben war, konnte ihn als »unschuldiges, fehlerloses Lamm« (1. Petrus 1,19b Hfa) darstellen. »Während sie aber aßen, nahm Jesus Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es den Jüngern und sprach: Nehmt, esst! Das ist mein Leib. Und er nahm einen Kelch und sprach das Dankgebet, gab ihnen den und sprach: Trinkt alle daraus! Denn das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch aber: Ich werde von dieser Frucht des Weinstocks nicht mehr trinken von nun an bis zu dem Tag, da ich aufs Neue mit euch davon trinken werde im Reich meines Vaters.« (Matthäus 26,26-29 ZÜ) Auch Judas, der Verräter, war bei dieser heiligen Gedenkfeier anwesend. Er empfing von Jesus die Symbole seines gebrochenen Leibes und seines vergossenen Blutes. Er hörte die Worte: »Tut das zur Erinnerung an mich.« (1. Korinther 11,24b NLB) Als er dort in der Gegenwart des Lammes Gottes saß, brütete der Betrüger über seinen eigenen, finsteren Absichten und hegte seine düsteren, rachsüchtigen Gedanken.
Bei der Fußwaschung hatte Jesus einen überzeugenden Beweis dafür gegeben, dass er den Charakter von Judas kannte. »Ihr seid nicht alle rein« (Johannes 13,11b), sagte er. Diese Worte überzeugten den falschen Jünger davon, dass Jesus um seine geheime Absicht wusste. Nun wurde Christus noch deutlicher. Als sie am Tisch saßen, schaute er seine Jünger an und sagte: »Das sage ich nicht von euch allen; ich weiß, welche ich erwählt habe. Aber es muss die Schrift erfüllt werden (Psalm 41,10): Der mein Brot isst, tritt mich mit Füßen.« (Johannes 13,18) Selbst jetzt hegten die Jünger keinen Verdacht gegen Judas, merkten aber, dass Jesus sehr beunruhigt war. Wie ein Schatten lag die Vorahnung eines schrecklichen Unheils auf ihnen, dessen Wesen sie nicht ergründen konnten. Als sie nun schweigend aßen, sagte Jesus: »Ich versichere euch: Einer von euch wird mich verraten.« (Matthäus 26,21b GNB) Diese Worte überraschten sie und machten sie betroffen. Sie konnten nicht verstehen, wie einer von ihnen so verräterisch mit ihrem göttlichen Lehrer umgehen konnte. Warum sollte ihn jemand verraten? Und an wen? Wessen Herz konnte einen solchen Plan ersinnen? Gewiss keiner von den bevorzugten Zwölf, die vor allen anderen das besondere Vorrecht besaßen, seine Lehren zu hören und seine wunderbare Liebe zu erleben, und denen er solch große Beachtung geschenkt hatte, dass er sie in seine unmittelbare Gemeinschaft miteinbezog! Als sie aber die Tragweite seiner Worte erkannten und sich daran erinnerten, wie wahr seine Aussagen sonst waren, wurden sie von Angst und Misstrauen gegen sich selbst ergriffen. Sie begannen ihr eigenes Herz zu erforschen, um zu sehen, ob auch nur ein Gedanke gegen ihren Meister dort Eingang gefunden hatte. In schmerzlichster Ergriffenheit fragte einer nach dem anderen: »Herr, bin ich‘s?« (Matthäus 26,22b) Nur Judas schwieg. Tief traurig fragte Johannes schließlich: »Herr, wer ist‘s?« (Johannes 13,25b) Jesus antwortete: »Der, der eben mit mir das Brot in die Schüssel getaucht hat, wird mich verraten. Der Menschensohn geht zwar den Weg, der ihm in der Schrift vorausgesagt ist; doch wehe dem Menschen, durch den er verraten wird! Für diesen Menschen wäre es besser, er wäre nie geboren worden.« (Matthäus 26,23.24 NGÜ Anm.) Die Jünger hatten sich gegenseitig prüfend angeschaut, als sie fragten: »Herr, bin ich‘s?« Nun aber zog Judas durch sein Schweigen alle Blicke auf sich. Wegen der Unruhe, die durch die Fragen und die erstaunten Äußerungen entstanden war, hatte Judas nicht gehört, was Jesus auf die Frage von Johannes geantwortet hatte. Um nun aber den prüfenden Blicken der anderen zu entgehen, fragte er wie sie: »Ich bin es doch nicht etwa, Rabbi?« Jesus erwiderte mit ernster Stimme: »Du selbst hast es ausgesprochen.« (Matthäus 26,25 NGÜ) Überrascht und bestürzt darüber, dass seine Absicht aufgedeckt worden war, erhob sich Judas hastig, um den Raum zu verlassen. »Jesus sagte zu ihm: ›Beeile dich und tu, was du tun musst!‹ … Nachdem Judas das Stück Brot gegessen hatte, ging er sofort hinaus. Es war Nacht.« (Johannes 13,27b.30 GNB) Es war Nacht für den Verräter, als er sich von Christus abwandte und in die Dunkelheit hinausging. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Judas immer noch die Möglichkeit gehabt zu bereuen. Doch als er die Gegenwart seines Herrn und seiner Mitbrüder verließ, war die endgültige Entscheidung gefallen. Er hatte die Grenze überschritten. Mit welch wunderbarer Langmut war Jesus mit diesem angefochtenen Menschen umgegangen! Nichts, was zur Rettung von Judas hätte getan werden können, blieb unversucht. Nachdem er zweimal vereinbart hatte, seinen Herrn auszuliefern, gab ihm Jesus noch immer die Gelegenheit zur Umkehr. Indem Christus die geheime Absicht im Herzen des Verräters las, gab er Judas den endgültig überzeugenden Beweis seiner Göttlichkeit. Dies war der letzte Aufruf zur Umkehr für den falschen Jünger. Kein Mahnruf, den das göttlich-menschliche Herz von Christus machen konnte, war unterlassen worden. Die Wogen der Barmherzigkeit, die sich am unbeugsamen Stolz von Judas brachen, kamen in einer noch stärkeren Flut überwältigender Liebe zurück. Doch obwohl Judas durch die Aufdeckung seiner Schuld überrascht und bestürzt war, handelte er umso entschiedener. Er verließ das heilige Mahl und ging hinaus, um den Verrat zu vollenden. Mit seinem Wehruf, den er über Judas aussprach, verfolgte Christus auch eine barmherzige Absicht seinen Jüngern gegenüber. Er schenkte ihnen damit den krönenden Beweis seiner Messianität. »Ich sage euch das schon jetzt, bevor es eintrifft, damit ihr, wenn es dann geschieht, an mich als den glaubt, der ich bin.« (Johannes 13,19 NGÜ) Hätte Jesus geschwiegen – scheinbar unwissend über das, was über ihn kommen würde -, hätten die Jünger denken können, ihr Meister besitze keine göttliche Vorausschau. Sie wären überrascht gewesen und in die Hände der mordgierigen Volksmenge verraten worden. Ein Jahr zuvor hatte Jesus seinen Jüngern erzählt, dass er zwölf erwählt habe und einer von ihnen ein Teufel sei (vgl. Johannes 6,70). Jetzt würden seine Worte an Judas, die zeigten, dass der Meister um dessen Verrat wusste, den Glauben seiner treuen Nachfolger während seiner Erniedrigung stärken. Und nach dem schrecklichen Ende von Judas würden sie sich an den Wehruf erinnern, den Jesus über den Verräter ausgesprochen hatte. Der Erlöser verfolgte noch eine weitere Absicht. Er hatte seinen Dienst auch dem nicht verweigert, von dem er wusste, dass er ein Verräter war. Die Jünger verstanden weder seine Worte bei der Fußwaschung: »Ihr seid nicht alle rein.« (Johannes 13,11b) noch seine Erklärung bei Tisch: »Der mein Brot isst, tritt mich mit Füßen« (Johannes 13,18b). Doch als ihnen deren Bedeutung später klar wurde, konnten sie über die Geduld und Barmherzigkeit nachdenken, die Gott dem entgegenbrachte, der am schwersten irrte. Obwohl Jesus Judas von Anfang an kannte, wusch er ihm die Füße, und der Verräter hatte das Vorrecht, gemeinsam mit Christus am Abendmahl teilzunehmen. Ein langmütiger Erlöser bot dem Sünder jede Möglichkeit, ihn anzunehmen, zu bereuen und vom Schmutz der Sünde gereinigt zu werden. Dies ist ein Beispiel für uns. Wenn wir meinen, jemand sei im Irrtum und in Sünde, sollen wir uns nicht von ihm zurückziehen. Wir dürfen ihn nicht durch eine leichtfertige Trennung der Versuchung als Beute überlassen oder ihn auf Satans Schlachtfeld treiben. Dies ist nicht die Vorgehensweise von Christus. Gerade weil die Jünger sündigten und Fehler hatten, wusch er ihnen die Füße. Dadurch wurden alle zur Reue geführt, außer einem der Zwölf.
Das Beispiel von Christus verbietet es, jemanden vom Abendmahl auszuschließen. Es ist wahr, dass offene Sünde den Schuldigen davon ausschließt. Dies lehrt der Heilige Geist deutlich (vgl. 1. Korinther 5,11). Doch darüber hinaus darf niemand ein Urteil fällen. Gott hat es nicht den Menschen überlassen zu bestimmen, wer an solchen Anlässen teilnehmen darf. Denn wer kann das Herz ergründen? Wer kann die Spreu vom Weizen unterscheiden? »Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch.« (1. Korinther 11,28) Denn »wer daher auf unwürdige Weise das Brot des Herrn isst und von seinem Becher trinkt, macht sich am Leib und am Blut des Herrn schuldig … Denn wenn ihr esst und trinkt ohne Rücksicht darauf, dass ihr es mit dem Leib des Herrn zu tun habt, zieht ihr euch durch euer Essen und Trinken Gottes Strafgericht zu« (1. Korinther 11,27.29 GNB).
Wenn sich Gläubige zum Abendmahl versammeln, sind Gesandte anwesend, die für menschliche Augen nicht sichtbar sind. Auch ein Judas mag unter den Versammelten sein. Wenn dem so ist, sind auch Boten des Fürsten der Finsternis zugegen, denn sie begleiten alle jene, die es ablehnen, sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen. Himmlische Engel sind anwesend. Diese unsichtbaren Gäste sind bei jedem solchen Anlass gegenwärtig. Es mögen Menschen in die Versammlung kommen, deren Herz nicht von Wahrheit und Heiligkeit erfüllt ist, die aber gerne am Abendmahl teilnehmen möchten. Man sollte es ihnen nicht verwehren. Zeugen sind anwesend, die auch dabei waren, als Jesus die Füße der Jünger und die des Judas wusch. Mehr als menschliche Augen betrachteten dieses Geschehen. Christus ist durch den Heiligen Geist anwesend, um der von ihm selbst verordneten Feier sein Siegel aufzudrücken. Er ist da, um die Herzen zu überführen und zu berühren. Kein Blick und kein Gedanke der Reue entgeht seiner Aufmerksamkeit. Er wartet auf den Reumütigen, der zerbrochenen Herzens ist. Alles ist bereit, um diesen Menschen zu empfangen. Er, der die Füße von Judas wusch, sehnt sich danach, jeden von den Flecken der Sünde reinzuwaschen. Niemand sollte dem Abendmahl fernbleiben, nur weil einige daran teilnehmen könnten, die unwürdig sind. Jeder Nachfolger von Christus ist aufgerufen, öffentlich daran teilzunehmen und dadurch zu bezeugen, dass er Christus als seinen persönlichen Erlöser anerkennt. Gerade bei diesen von ihm selbst verordneten Feierlichkeiten begegnet Christus seinem Volk und stärkt es durch seine Gegenwart. Es mögen selbst unwürdige Herzen und Hände das Abendmahl austeilen. Dennoch ist Christus anwesend, um seinen Nachfolgern zu dienen. Alle, die kommen und ihm fest vertrauen, werden reich gesegnet werden. Wer aber diese Augenblicke des göttlichen Segens versäumt, erleidet einen Verlust. Von ihnen mag zu Recht gesagt werden: »Ihr seid nicht alle rein.« (Johannes 13,11b)
Indem Christus mit seinen Jüngern das Brot aß und den Wein trank, versprach er ihnen, ihr Erlöser zu sein. Er vertraute ihnen den neuen Bund an, durch den alle, die ihn annehmen, Gottes Kinder und Miterben von Christus werden. Jeder Segen, den der Himmel für das jetzige und das künftige Leben schenken konnte, wurde ihnen durch diesen Bund zuteil. Dieser Bundesvertrag sollte durch das Blut von Christus rechtsgültig gemacht werden. Und das Austeilen des Abendmahls sollte den Jüngern – als Teil der gesamten, großen und gefallenen Menschheit – ständig das unendlich große Opfer vor Augen führen, das für jeden von ihnen persönlich dargebracht wurde. Doch das Abendmahl sollte keine Zeit des Trauerns sein. Darin besteht sein Zweck nicht. Wenn sich die Nachfolger des Herrn um seinen Tisch versammeln, sollen sie nicht über ihre Fehler nachdenken und sie beklagen. Sie sollen nicht bei ihrer vergangenen religiösen Erfahrung verweilen, ganz gleich, ob sie erbaulich oder bedrückend war. Sie sollen sich nicht an die Meinungsverschiedenheiten erinnern, die unter ihnen und den Geschwistern bestehen. Dies alles ist bereits im Vorbereitungsdienst miteingeschlossen. Die Selbstprüfung, das Sündenbekenntnis und das Beilegen von Streitigkeiten – dies hat alles schon stattgefunden. Jetzt kommen sie, um Christus zu begegnen. Sie sollen nicht im Schatten des Kreuzes stehen, sondern in seinem rettenden Licht. Sie sollen ihre Herzen den leuchtenden Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit öffnen. Mit Herzen, die durch das kostbare Blut von Christus gereinigt worden sind, und im vollen Bewusstsein seiner Gegenwart – obwohl diese unsichtbar ist – sollen sie seine Worte hören: »Ich lasse euch ein Geschenk zurück – meinen Frieden. Und der Friede, den ich schenke, ist nicht wie der Friede, den die Welt gibt.« (Johannes 14,27a NLB) Unser Herr sagt: Wenn euch eure Sünde bewusst geworden ist, dann denkt daran, dass ich für euch gestorben bin. Wenn ihr um meinetwillen oder um des Evangeliums willen unterdrückt, verfolgt oder angefochten werdet, so erinnert euch an meine Liebe, die so groß ist, dass ich mein Leben für euch gab. Wenn euch eure Pflichten hart und schwierig und eure Lasten zu schwer erscheinen, dann denkt daran, dass ich für euch das Kreuz erduldet und die Schande für nichts erachtet habe (vgl. Hebräer 12,2). Wenn euer Herz vor einer schweren Prüfung zurückschreckt, denkt daran, dass euer Erlöser lebt, um für euch einzutreten (vgl. Hebräer 7,25). Das Abendmahl weist auf die Wiederkunft von Christus hin. Es sollte diese Hoffnung in den Gedanken der Jünger lebendig erhalten. Wann immer sie zusammenkamen, um seines Todes zu gedenken, erzählten sie einander, wie er den Kelch nahm, dankte, ihnen gab und sprach: »Trinkt alle daraus! Denn das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch aber: Ich werde von dieser Frucht des Weinstocks nicht mehr trinken von nun an bis zu dem Tag, an dem ich aufs Neue mit euch davon trinken werde im Reich meines Vaters.« (Matthäus 26,27-29 ZÜ) In ihrer Trübsal fanden sie Trost in der Hoffnung auf die Rückkehr ihres Herrn. Überaus kostbar war ihnen der Gedanke: »Denn jedes Mal, wenn ihr dieses Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt.« (1. Korinther 11,26 NLB) Dies sind die Dinge, die wir nie vergessen dürfen. Wir müssen die Liebe von Jesus mit ihrer überwältigenden Kraft in unserer Erinnerung lebendig erhalten. Christus hat diese Gedenkfeier eingesetzt, damit unsere Sinne von Gottes Liebe angesprochen werden, die er um unseretwillen zum Ausdruck gebracht hat. Es kann keine Verbindung zwischen Gott und uns geben – außer durch Jesus Christus. Die Einheit und die Liebe unter den Geschwistern müssen durch die Liebe von Jesus gefestigt und dauerhaft gemacht werden. Nichts Geringeres als der Tod von Christus konnte seine Liebe für uns wirksam machen. Nur aufgrund seines Todes können wir mit Freuden der Wiederkunft des Herrn entgegensehen. Sein Opfer ist der Mittelpunkt unserer Hoffnung. Daran müssen wir unseren Glauben festmachen. Die von Gott verordneten Handlungen, die auf die Erniedrigung und das Leiden unseres Herrn hinweisen, werden zu sehr als Formsache angesehen. Sie wurden mit einer bestimmten Absicht eingeführt. Unsere Sinne müssen geschärft werden, um »das Geheimnis, auf das sich unser Glaube gründet«, zu erfassen (vgl. 1. Timotheus 3,16 NGÜ). Es ist das Vorrecht aller, das sühnende Leiden von Christus zu verstehen, und zwar weit mehr, als wir es bereits tun. »Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.« (Johannes 3,14.15) Wir müssen unseren Blick auf das Kreuz von Golgatha mit dem sterbenden Erlöser richten. Unser ewiges Heil verlangt, dass wir unseren Glauben an Christus bekennen.
Jesus sagte: »Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. … Denn mein Fleisch ist die wahre Nahrung, und mein Blut ist der wahre Trank.« (Johannes 6,53.55 NGÜ) Dies trifft auf unseren Körper zu. Selbst dieses irdische Leben haben wir dem Tod von Christus zu verdanken. Das Brot, das wir essen, wurde mit seinem gebrochenen Leib erworben und das Wasser, das wir trinken, mit dem vergossenen Blut von Christus erkauft. Niemand, sei er gerecht oder sündhaft, genießt seine tägliche Nahrung, ohne dass sie durch den Leib und das Blut von Christus gesegnet ist. Das Kreuz von Golgatha ist in jeden Brotlaib eingeprägt und spiegelt sich in jeder Wasserquelle wider. All dies hat uns Christus gelehrt, indem er die Sinnbilder seines großen Opfers einsetzte. Das Licht, das von diesem Abendmahl im Obergemach ausgeht, heiligt auch die Nahrung unseres täglichen Lebens. Der Familientisch wird so zum Tisch des Herrn und jede Mahlzeit zu einem heiligen Mahl. Doch wie viel mehr treffen die Worte von Christus auf unser geistliches Leben zu! Er erklärte: »Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben.« (Johannes 6,54a) Wenn wir das Leben annehmen, das für uns am Kreuz von Golgatha hingegeben worden ist, können wir ein heiliges Leben führen. Und dieses Leben erhalten wir, wenn wir sein Wort annehmen, indem wir jene Dinge tun, die er geboten hat. Auf diese Weise werden wir eins mit ihm. »Wer mein Fleisch isst«, sagte Jesus, »und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. Der Vater, der lebendige Gott, hat mich gesandt, und ich lebe durch ihn. Genauso wird auch der, der mich isst, durch mich leben.« (Johannes 6,56.57 NGÜ) Diese Bibelstelle bezieht sich in besonderer Weise auf das heilige Abendmahl. Betrachtet der Mensch im Glauben das große Opfer unseres Herrn, dann nimmt er das geistliche Leben von Christus in sich auf. Dieser Gläubige wird aus jedem Abendmahl geistliche Kraft schöpfen. Diese Gedenkfeier schafft eine lebendige Beziehung, durch die der Gläubige mit Christus und somit auch mit dem Vater verbunden ist. Sie schafft in besonderer Weise eine Verbindung zwischen den abhängigen Menschen und Gott.
Wenn wir das Brot und den Wein empfangen, welche den gebrochenen Leib von Christus und sein vergossenes Blut darstellen, schließen wir uns in Gedanken dem Abendmahlsgeschehen im Obergemach an. Wir gehen im Geist durch den Garten, der durch den Todeskampf dessen geweiht wurde, der die Sünden der Welt trug. Wir werden Zeugen des Kampfes, durch den unsere Versöhnung mit Gott erlangt worden ist. Christus ist uns als der Gekreuzigte »vor die Augen gemalt« (Galater 3,1b). Schauen wir auf den gekreuzigten Erlöser, dann begreifen wir viel umfassender die Größe und Bedeutung des Opfers, das die Majestät des Himmels für uns gebracht hat. Der Erlösungsplan wird vor uns verherrlicht, und der Gedanke an Golgatha weckt in unseren Herzen lebendige und heilige Empfindungen. Lobpreis zu Gott und dem Lamm wird in unseren Herzen und auf unseren Lippen sein, denn Stolz und Selbstverehrung können sich in keiner Seele ausbreiten, der das Geschehen auf Golgatha in lebendiger Erinnerung ist. Wer die beispiellose Liebe des Erlösers betrachtet, dessen Gedanken werden veredelt, dessen Herz wird gereinigt und dessen Charakter wird verwandelt werden. Er wird hinausgehen, um für die Welt ein Licht zu sein und diese geheimnisvolle Liebe in gewissem Maß widerzuspiegeln. Je mehr wir über das Kreuz von Christus nachdenken, desto mehr werden wir die Worte des Apostels beherzigen: »Was mich betrifft, so bewahre Gott mich davor, mit irgendetwas anzugeben. Rühmen will ich mich nur einer Sache: des Kreuzes von Jesus Christus, unserem Herrn, durch den mein Interesse an dieser Welt gestorben ist, wie auch das Interesse der Welt an mir.« (Galater 6,14 NLB Anm.)