Lobet den Herrn
Es war des Morgens am Galiläischen Meer. Jesus und seine Jünger waren nach einer stürmischen Nacht an das Ufer gekommen und das Licht der aufgehenden Sonne grüßte See und Land wie mit einem Friedensgruß. Aber als sie ans Land traten, bot sich ihnen ein Anblick, viel schrecklicher als der sturmbewegte See. Aus einem Versteck zwischen den Gräben stürzen zwei Besessene auf sie, als ob sie alle in Stücke reißen wollten. Diese Menschen tragen noch Stücke von Ketten, welche von ihnen zerrissen worden waren, als sie aus dem Gewahrsam entwichen. Ihr Fleisch ist zerrissen und blutet, ihre Augen funkeln unter ihrem langen, verwirrten Haar hervor, das Bild des Menschen scheint bei ihnen ausgelöscht zu sein. Sie sehen wilden Tieren ähnlicher als Menschen. Die Jünger und ihre Begleiter fliehen in Schrecken; aber sofort bemerken sie, dass Jesus nicht bei ihnen ist und sie wenden sich um, nach ihm zu sehen. Er steht noch, wo sie ihn verließen. Er, der den Sturm stillte, der schon früher dem Satan entgegen getreten war und ihn besiegt hatte, flieht nicht vor diesen Dämonen. Als die Menschen zähneknirschend und wutschnaubend sich ihm nähern, erhebt Jesus die Hand, welche den Wogen Ruhe geboten hatte, und die Besessenen können ihm nicht näher kommen. Sie stehen wütend aber hilflos vor ihm. Mit Macht gebietet er den unreinen Geistern auszufahren. Die Unglücklichen erkennen, dass einer nahe ist, der sie von den quälenden Geistern befreien kann. Sie fallen zu des Heilandes Füßen, um seine Gnade anzuflehen; aber als sie ihren Mund öffnen, reden die Geister durch sie und schreien: „Ach Jesu, du Sohn Gottes, was haben wir mit dir zu tun? Bist du hergekommen, uns zu quälen?“ (Matthäus 8,29)
Die bösen Geister sind gezwungen, ihre Opfer zu verlassen und eine wunderbare Veränderung geht in den Besessenen vor sich, ihr Verstand erhellt sich wieder, ihre Augen leuchten vernünftig. Das Angesicht, welches so lange in das Bild Satans verzerrt war, wird plötzlich sanft, die blutbefleckten Hände sind ruhig und die Menschen erheben ihre Stimme, um Gott zu loben. Inzwischen sind die bösen Geister, aus ihren menschlichen Behausungen vertrieben, in die Schweine gefahren und treiben diese ins Verderben. Die Hüter der Schweine eilen hinweg, um die Neuigkeit zu verkünden und die ganze Bevölkerung strömt zusammen, um Jesum zu sehen. Die beiden Besessenen waren der Schrecken der Gegend gewesen, nun waren diese Menschen bekleidet und vernünftig, saßen zu den Füßen Jesu, lauschten seinen Worten und verherrlichten den Namen dessen, der sie gesund gemacht hatte. Aber das Volk, welches diese wunderbare Szene sieht, freut sich nicht. Der Verlust der Schweine scheint ihnen von größerer Bedeutung als die Befreiung dieser Gefangenen Satans. In Schrecken versammeln sie sich um Jesum und bitten ihn, von ihnen zu weichen und er tut es, nimmt sofort ein Schiff und fährt nach dem jenseitigen Ufer. Ganz anders ist das Gefühl der geheilten Besessenen. Die verlangen nach der Gemeinschaft ihres Befreiers, in seiner Gegenwart fühlen sie sich sicher vor den bösen Geistern, welche sie gequält und ihre Mannheit zerstört haben. Als Jesus das Boot besteigt, bleiben sie bei ihm, knieen zu seinen Füßen und bitten ihn, ihm nahe bleiben zu dürfen, wo sie seinen Worten lauschen können. Aber Jesus gebietet ihnen, heim zu gehen und zu erzählen, welch große Dinge der Herr für sie getan habe.
Hier ist ein Werk für sie zu tun, nämlich nach einem heidnischen Heim zu gehen und von den Segnungen zu erzählen, die sie von Jesu empfangen haben. Es ist schwer für sie, von dem Heiland getrennt zu sein, in der Gemeinschaft mit ihren heidnischen Landsleuten werden sie große Schwierigkeiten haben. Ihre lange Absonderung von der menschlichen Gesellschaft scheint sie für das Werk, welches er ihnen zuteilte, untüchtig gemacht zu haben; aber sobald Jesus ihnen ihre Pflicht vorhält, sind sie bereit, zu gehorchen. Aber sie erzählten nicht nur ihren eigenen Familien und Nachbarn von Jesu, sondern gingen auch durch die zehn Städte und verkündigten überall seine Macht zu retten; sie berichteten, wie er sie von den bösen Geistern frei gemacht habe. Obgleich die Gergesener Jesum nicht angenommen hatten, überließ er sie nicht der selbst erwählten Finsternis. Als sie ihn baten, von ihnen zu weichen, hatten sie seine Worte nicht vernommen. Sie wussten nicht, was sie verwarfen. Deshalb sandte er ihnen das Licht durch solche, bei denen sie sich nicht weigern würden, zuzuhören.
Als Satan die Schweine vernichtete, geschah es mit der Absicht, das Volk von dem Heiland abzuwenden und die Verkündigung des Evangeliums in jener Gegend zu verhindern. Aber gerade dieser Vorfall weckte die Gegend auf, wie nichts anderes dies hätte tun können und lenkte die Aufmerksamkeit auf Christum. Obgleich der Heiland selbst wegging, blieben die Menschen, die er geheilt hatte, als Zeugen seiner Macht zurück. Diejenigen, die Werkzeuge des Fürsten der Finsternis gewesen waren, wurden nun Vermittler des Lichtes, Boten des Sohnes Gottes. Als Jesus zu den zehn Städten zurückkehrte, versammelte sich das Volk um ihn und drei Tage lang vernahmen Tausende aus der ganzen Umgegend die Botschaft des Heils. Die zwei geheilten Besessenen waren die ersten Missionare, welche Christus aussandte, das Evangelium in dem Gebiet der zehn Städte zu verkündigen. Diese Menschen hatten nur einige Augenblicke seinen Worten gelauscht. Nicht eine Predigt von seinen Lippen war je an ihre Ohren gedrungen. Sie konnten nicht das Volk unterweisen wie die Jünger, welche täglich mit Christo gewesen waren, es tun konnten. Aber sie konnten erzählen was sie wussten, was sie selbst gesehen und gehört und von des Heilandes Macht gefühlt hatten. Dies kann ein jeder tun, dessen Herz von der Gnade Gottes berührt wurde. Dies ist das Zeugnis, wonach unser Herr verlangt und an dessen Mangel die Welt verloren geht.
Das Evangelium soll nicht als eine leblose Theorie vorgeführt werden, sondern als eine lebendige Kraft, welche das Leben verändert. Gott will, dass seine Diener davon zeugen sollen, damit die Menschen durch seine Gnade einen Christo ähnlichen Charakter erhalten und sich der Versicherung seiner großen Liebe erfreuen können. Er möchte, dass wir von der Tatsache zeugen, dass er nicht zufrieden sein kann, bis alle, die das Heil annehmen, erlöst und wieder in ihre heiligen Vorrechte als seine Söhne und Töchter eingesetzt sind. Selbst solche, die ihm am meisten widerstrebten, nimmt er gern an. Wenn sie Buße tun, teilt er ihnen seinen göttlichen Geist mit und sendet sie in das Lager der Untreuen, um seine Gnade zu verkünden. Seelen, welche zu Werkzeugen Satans herabgewürdigt waren, werden noch immer durch die Macht Christi in Boten der Gerechtigkeit verwandelt und von dem Sohne Gottes ausgesandt, zu erzählen, wie große Wohltat ihnen der Herr erwiesen und wie er sich ihrer erbarmt hat.
Mein Ruhm ist immer von dir
Nachdem das Weib von Kapernaum durch die Berührung des Glaubens geheilt war, wünschte Jesus, dass sie den Segen, den sie empfangen hatte, erkennen möchte. Die Gaben, welche das Evangelium anbietet, kann man sich nicht heimlich durch Diebstahl aneignen oder im Verborgenen genießen. „Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr; So bin ich Gott.“ (Jesaja 43,12) Unser Bekenntnis seiner Treue ist das von Gott erwählte Mittel, Christum der Welt zu offenbaren. Wir sollen seine Gnade anerkennen, wie sie durch die heiligen Männer vor alters verkündet wurde. Aber das Zeugnis unserer eigenen Erfahrung wird die größte Wirkung erzielen. Wir sind Zeugen für Gott, wenn wir in uns das Wirken der göttlichen Macht offenbaren. Jedes Wesen hat ein Leben, welches verschieden ist von allen anderen, und eine Erfahrung, die sich wesentlich von der ihren unterscheidet. Gott will, dass unser Dank zu ihm aufsteigt und dass dieser das Kennzeichen unserer eigenen Persönlichkeit trägt. Diese köstlichen Bekenntnisse zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade haben, wenn sie von einem christlichen Leben unterstützt werden, eine unwiderstehliche Macht, welche zum Heil der Seelen wirkt. Es ist zu unserem eignen Nutzen, jede Gabe Gottes in unserem Gedächtnis frisch zu erhalten. Auf diese Weise wird der Glaube gestärkt, immer mehr zu bitten und zu empfangen. Es liegt größere Ermutigung für uns in dem geringsten Segen, den wir selbst von Gott empfangen, als in all den Berichten, die wir von dem Glauben und der Erfahrung anderer lesen können. Die Seele, welche antwortet auf die Gnade Gottes, soll gleich einem gewässerten Garten sein. Ihre Besserung wird schnell wachsen, ihr Licht wird aufgehen in der Finsternis und die Herrlichkeit des Herrn wird über ihr gesehen werden.
„Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den Kelch des Heils nehmen Und des Herrn Namen predigen. Ich will meine Gelübde dem Herrn bezahlen vor all seinem Volk.“ (Psalm 116,12-14) „Ich will dem Herrn singen mein Leben lang, und meinen Gott loben, solange ich bin. Meine Rede müsse ihm wohlgefallen. Ich freue mich des Herrn.“ (Psalm 103,33.34) „Wer kann die großen Taten des Herrn ausreden Und alle seine löblichen Werke preisen?“ (Psalm 106,2) „Danket dem Herrn, und predigt seinen Namen; Verkündiget sein Tun unter den Völkern; Singet von ihm und lobet ihn;“ (Psalm 105,1.2) „Redet von allen seinen Wundern; rühmet seinen heiligen Namen; es freue sich das Herz derer, die den Herrn suchen.“ (Psalm 105,2.3) „Deine Güte ist besser denn Leben; meine Lippen preisen dich. Daselbst wollte ich dich gerne loben mein Leben lang, und meine Hände in deinem Namen aufheben. Das wäre meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben sollte. Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich; wenn ich erwache, so rede ich von dir. Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.“ (Psalm 63,4-8) „Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht; was können mir die Menschen tun? Ich habe dir, Gott, gelobt, dass ich dir danken will. Denn du hast meine Seele vom Tode errettet, meine Füße vom Gleiten, dass ich wandeln mag vor Gott im Licht der Lebendigen.“ (Psalm 56,12-14) „Ich lobsinge dir auf der Harfe, du Heiliger in Israel. Meine Lippen und meine Seele, die du erlöset hast, Sind fröhlich und lobsingen dir. Auch dichtet meine Zunge täglich von deiner Gerechtigkeit. Du bist meine Zuversicht von meiner Jugend an … Mein Ruhm ist immer von dir.“ (Psalm 71,22-25.5.6) „Ich will deines Namens gedenken … Darum werden dir danken die Völker.“ (Psalm 45,18)
Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch
Die Einladung des Evangeliums soll nicht eingeschränkt und nur einigen Auserwählten vorgeführt werden, welche, wie wir denken, uns Ehre erweisen, wenn sie es annehmen; die Botschaft soll an alle ergehen. Wenn Gott seine Kinder segnet, geschieht es nicht nur um ihretwillen, sondern um der Welt willen. Er verleiht uns seine Gaben, damit wir sie durch Mitteilen vermehren sollen. Sobald die Samariterin, welche am Jakobsbrunnen mit Jesus sprach, den Heiland gefunden hatte, brachte sie andere zu ihm. Sie erwies sich als eine erfolgreichere Missionarin als seine eigenen Jünger. Die Jünger sahen nichts in Samaria, was darauf hindeutete, dass es ein ermutigendes Feld sei. Ihre Gedanken waren auf ein großes Werk gerichtet, welches in der Zukunft geschehen sollte. Sie sahen nicht, dass gerade um sie herum eine Ernte war, die nur der Einsammlung harrte. Aber durch das von ihnen verachtete Weib wurde eine ganze Stadt dazu gebracht, Jesum zu hören. Sie brachte das Licht sofort ihren Landsleuten. Dieses Weib stellt das Wirken des praktischen Glaubens in Christo dar. Jeder wahre Jünger wird als ein Missionar in das Reich Gottes geboren. Sobald er den Heiland kennen lernt, wünscht er, andere mit ihm bekannt zu machen. Die rettende und heiligende Wahrheit kann nicht in seinem Herzen verschlossen bleiben. Wer von dem Wasser des Lebens trinkt, wird selbst eine lebendige Quelle; der Empfänger wird zum Geber. Die Gnade Christi in der Seele ist Gleich einer Quelle in der Wüste, welche sprudelt, um alle zu erquicken und diejenigen, welche am verdursten sind, einlädt, von dem Wasser des Lebens zu trinken. Indem wir dieses Werk tun, erhalten wir einen größeren Segen, als wenn wir bloß für unseren Nutzen wirken. Dadurch, dass wir die frohe Kunde des Heils verbreiten, werden wir selbst dem Herrn näher gebracht. Von denen, die seine Gnade annehmen, sagt der Herr: „Ich will sie und alles was um meinen Hügel her ist, segnen, und auf sie regnen lassen zu rechter Zeit; das sollen gnädige Regen sein“. (Hesekiel 34,26) „Aber am letzten Tage des Festes, der am herrlichsten war, trat Jesus auf, rief und sprach: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubet, wie die Schrift saget, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.“ (Johannes 7,37.38)
Wer empfängt, soll auch wieder mitteilen. Aus allen Richtungen hört man Rufe um Hilfe. Gott fordert die Menschen auf, mit Freuden ihren Mitmenschen zu dienen. Unvergängliche Kronen sind zu gewinnen; das Himmelreich kann ergriffen werden; die Welt, welche in Unwissenheit zugrunde geht, soll erleuchtet werden. „Saget ihr nicht: Es sind noch vier Monate, so kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebet eure Augen auf und sehet in das Feld; denn es ist schon weiß zur Ernte. Und wer da schneidet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben.“ (Johannes 4,35.36)
Siehe, ich bin bei euch alle Tage
Drei Jahre lang hatten die Jünger das wunderbare Vorbild Jesu vor Augen. Täglich wandelten und redeten sie mit ihm, hörten seine Trostworte an die Mühseligen und Beladenen und sahen die Offenbarungen seiner Macht für die Kranken und Leidenden. Als die Zeit für ihn kam, sie zu verlassen, verlieh er ihnen Gnade und Macht, sein Werk in seinem Namen weiter zu führen. Sie sollten das Licht seines Evangeliums der Liebe und Heilkraft ausbreiten und der Heiland verhieß ihnen, dass er allezeit mit ihnen sein wolle. Ja, er würde ihnen durch den heiligen Geist näher sein, als da er sichtbar unter den Menschen wandelte.
Auch wir sollen das Werk tun, welches die Jünger taten. Jeder Christ soll ein Missionar sein. Voll Teilnahme und Mitgefühl sollen wir denen dienen, die Hilfe nötig haben, und mit selbstlosem Eifer das Weh und die Schmerzen der leidenden Menschheit zu lindern suchen.
Alle können etwas zu tun finden. Niemand braucht zu denken, dass kein Platz für ihn sei, wo er für Christum arbeiten kann. Der Heiland stellt sich jedem Menschenkind gleich. Er wurde ein Glied der irdischen Familie, damit wir Glieder der himmlischen Familie werden möchten. Er ist der Menschen Sohn und dadurch ein Bruder von jedem Sohn und jeder Tochter Adams. Seine Nachfolger sollen sich nicht von der verlorenen Welt um sich herum abgesondert fühlen. Sie sind ein Teil der großen Menschenfamilie und der Himmel betrachtet sie ebensowohl als Brüder der Sünder wie der Heiligen. Millionen und aber Millionen menschlicher Wesen, die krank, unwissend und sündig sind, haben noch nie etwas von der Liebe Christi für sie gehört. Wenn unser Zustand mit dem ihren vertauscht werden könnte, was würden wir dann wünschen, dass sie für uns tun sollten? Alles dies sollen wir für sie tun, soweit es in unserer Macht liegt. Christi Lebensregel, nach welcher ein jeder von uns in dem Gericht stehen oder fallen wird, lautet: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ (Matthäus 7,12)
Durch alles, was uns einen Vorteil über andere verleiht — sei es Erziehung und Bildung, ein edler Charakter, christliche Erziehung, religiöse Erfahrung — sind wir Schuldner der weniger Begünstigten und sollen, soweit es in unserer Macht liegt, ihnen dienen. Wenn wir stark sind, sollen wir die Hände der Schwachen stützen. Engel der Herrlichkeit, welche stets das Angesicht des Vaters im Himmel schauen, freuen sich, seinen Kindern zu dienen. Engel sind stets gegenwärtig, wo sie am nötigsten sind, bei solchen, welche den härtesten Kampf mit dem eigenen Ich zu kämpfen haben und deren Umgebung am meisten entmutigt. Schwache zitternde Seelen mit den schlimmsten Charakterzügen bilden ihre besondere Sorge. Das, was selbstsüchtige Herzen für einen erniedrigenden Dienst ansehen würden, denen zu dienen, die elend und in jeder Weise niedrigen Charakters sind, ist das Werk heiliger, sündloser Wesen aus den himmlischen Höfen. Jesus betrachtete den Himmel nicht als einen erwünschten Platz, während wir verloren waren. Er verließ denselben, um ein Leben der Schmach und Schande zu führen und einen schmählichen Tod zu leiden. Er, dem die unermesslichen Schätze des Himmels gehören, wurde arm, damit wir durch seine Armut reich werden möchten. Wir sollen in seinen Fußstapfen nachfolgen. Wer ein Kind Gottes geworden ist, sollte sich hinfort als ein Glied in der Kette betrachten, welche herabgelassen ist, um die Welt zu retten; als eins mit Christo in seinem Liebesplan, mit ihm ausgehen, zu suchen und zu retten das Verlorene. Viele denken, dass es ein großes Vorrecht sein würde, die Orte des Lebens Christi auf Erden zu besuchen, auf den Wegen zu wandeln, wo er wandelte, auf den See zu blicken, wo er so gern lehrte, und die Hügel und Täler zu schauen, auf denen seine Augen so oft ruhten. Aber wir brauchen nicht nach Nazareth, Kapernaum oder nach Bethanien zu gehen, um in den Fußspuren Jesu zu wandeln. Wir werden seine Fußstapfen neben dem Krankenbett, in den Hütten der Armut, in den überfüllten Gassen der großen Städte und an allen Orten finden, wo menschliche Herzen Trost nötig haben.
Wir sollen die Hungrigen speisen, die Nackten kleiden und die Kranken und Betrübten trösten. Wir sollen den Verzweifelten dienen und den Hoffnungslosen Hoffnung einflößen.
Die Liebe Christi, die sich in selbstlosem Dienst offenbart, wird wirksamer sein, den Übeltäter zu ändern als das Schwert oder der Gerichtshof. Diese sind notwendig, um dem Übertreter des Gesetzes Furcht einzuflößen, aber der liebevolle Missionar kann mehr tun als sie. Oft wird das Herz unter dem Tadel verhärtet, aber unter der Liebe Christi wird es schmelzen. Der Missionar kann nicht nur körperliche Leiden lindern, sondern er kann die Sünder zu dem großen Arzt führen, der die Seele von dem Aussatz der Sünde reinigen kann. Gott will, dass die Kranken, die Unglücklichen, die von bösen Geistern Besessenen durch seinen Diener seine Stimme vernehmen sollen. Durch seine menschlichen Werkzeuge will er ein Tröster sein, wie solchen die Welt nicht kennt. Der Heiland hat sein kostbares Leben hingegeben, um eine Gemeinde zu gründen, die imstande sei, den Leidenden, den Traurigen und Versuchten zu dienen. Eine Schar von Gläubigen mag arm, ungebildet und unbekannt sein, doch können sie in Christo ein Werk in der Familie, in der Gemeinschaft und selbst in fernen Ländern tun, deren Folgen so weitreichend sind wie die Ewigkeit. Seine Worte sind ebensowohl an seine Nachfolger heute wie an die ersten Jünger gerichtet: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin, und lehret alle Völker.“ „Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur.“ (Matthäus 28,18.19; Markus 16,15) Auch die Verheißung seiner Gegenwart ist für uns: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28,20)
Heute versammeln sich keine neugierigen Mengen mehr an wüsten Orten, um Christum zu sehen und zu hören. Seine Stimme wird nicht in den geschäftigen Straßen vernommen, kein Ruf ertönt von den Wegen: „Jesus von Nazareth geht vorüber.“ (Lukas 18,37) Und doch ist dies Wort auch heute wahr. Christus wandelt unsichtbar durch unsere Straßen. Mit Botschaften der Gnade kommt er in unsere Häuser. Er wartet darauf, allen mitzuhelfen, die in seinem Namen zu dienen suchen. Er ist mitten unter uns zu heilen und zu segnen, wenn wir ihn annehmen wollen.„Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen; die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!“ (Jesaja 52,7) „Lasset fröhlich sein, und miteinander rühmen das Wüste zu Jerusalem; … denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem gelöset. … Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Heiden; dass aller Welt Enden sieht das Heil unseres Gottes.“ (Jesaja 52,9.10)