Das Vaterunser

Das Vaterunser

„Deshalb sollt ihr auf diese Weise beten: Unser Vater, der du bist im Himmel! Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Gib uns heute unser tägliches Brot. Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen. Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6,9-15)

„Darum sollt ihr also beten“
Der Heiland hat das Vaterunser zweimal gesprochen, einmal zum Volke in der Bergpredigt und das andere Mal einige Monate später allein zu seinen Jüngern. Die Jünger waren einige Zeit von ihrem Herrn fort gewesen und fanden ihn bei ihrer Rückkehr in innigstem Umgang mit Gott. Er merkte anscheinend gar nichts von ihrer Rückkunft, denn er fuhr fort, laut zu beten. Sein Antlitz leuchtete in himmlischer Klarheit. Es war, als sei er in die unmittelbare Nähe des Unsichtbaren entrückt. Seine Worte waren von solcher Lebenskraft, dass man wirklich den Eindruck eines Gesprächs mit Gott hatte.

Die Herzen der lauschenden Jünger waren tief bewegt. Wie oft hatten sie schon bemerkt, dass ihr Meister lange Stunden in Einsamkeit und Gebet zu seinem Vater zubrachte! Er verbrachte seine Tage damit, dass er den vielen Menschen diente, die ihn aufsuchten, und gegen die Spitzfindigkeiten der Schriftgelehrten ankämpfte. Der Arbeit war so viel, dass er oft infolge seiner Entkräftung seiner Mutter, seinen Brüdern und selbst seinen Jüngern zu der Befürchtung Anlass gab, sein Leben würde im Dienst erlöschen. Doch wenn er aus den Gebetsstunden kam, die den Tag der Mühe rundeten, sah man Frieden auf seinem Angesicht, umwob ihn ein Hauch der Erquickung. In der Kraft aus der Gemeinschaft mit Gott trat er Morgen für Morgen hervor, den Menschen himmlische Erleuchtung zu bringen.
Seine ihn begleitenden Jünger hatten schon lange die Verbindung zwischen seinen Gebetszeiten und seinem Reden und Handeln erkannt. Als sie nun seinen Bitten lauschten, wurden ihre Herzen demütig in heiliger Ehrfurcht. Von ihrer inneren Not überzeugt, riefen sie, als der Herr sein Gebet beendet hatte, aus: „Herr, lehre uns beten!“ (Lukas 11,1)
Jesus gab ihnen darauf keine neue Gebetsformel. Er wiederholte einfach, was er sie vorher schon gelehrt hatte, so als wollte er sagen: Ihr müsst nur verstehen, was ich euch schon vermittelt habe. Es liegt darin eine so tiefe Bedeutung, dass ihr sie noch gar nicht habt ergründen können.
Der Heiland hat nicht die Absicht, uns auf den Wortlaut des Vaterunsers festzulegen. Der Menschensohn bietet uns damit lediglich ein Mustergebet dar, und zwar in so einfacher Fassung, dass sogar ein Kind es verstehen kann, aber auch von solcher Gedankentiefe, dass die größten Geister es kaum je völlig ergründen können. Wir sollen zu Gott mit unserem Dankopfer kommen, ihm unser Anliegen kundtun, unsere Sünden bekennen und seiner Verheißung entsprechend seine Gnade in Anspruch nehmen.

„Wenn ihr betet, so sprecht: Unser Vater“
Jesus lehrt uns, seinen Vater unseren Vater zu nennen. Er schämt sich nicht, uns Brüder zu heißen. (Hebräer 2,11) Des Heilands Herz ist so bereit und so begierig, uns als Mitglieder der göttlichen Familie willkommen zu heißen, daß er uns gleich in den ersten Worten, mit denen wir uns Gott nahen, unsere göttliche Verwandtschaft zum Ausdruck bringen heißt mit der Anrede: „Unser Vater.“
Und damit wird die wunderbare Tatsache ausgesprochen, in der für uns so viel Ermutigung und Trost liegt, dass Gott uns ebenso liebt wie seinen Sohn. Das hat Jesus auch in seinem letzten Gebet für die Jünger zum Ausdruck gebracht mit dem Wort: Du „liebst sie, gleichwie du mich liebst“. (Johannes 17,23)
Die Welt, die der Teufel eingenommen hat und mit grausamer Tyrannei beherrscht, hat der Sohn Gottes durch seine Großtat in den Bereich seiner Liebe gezogen und wieder mit dem Throne Gottes verkettet. Cherubim und Seraphim und die unzähligen Scharen von den rein gebliebenen Welten sangen Gott und dem Lamm Jubellieder, als der Sieg gewonnen war. Sie jauchzten, dass dem sündigen Geschlecht nunmehr der Heilsweg geöffnet war und dass die Erde vom Fluch der Sünde frei werden sollte. Wieviel mehr Grund zur Freude haben alle, die diese wunderbare Liebe umfängt!
Wie können wir da zweifeln und schwanken oder uns gar als Waisen fühlen? Wegen der Gesetzesübertreter hat Jesus menschliche Natur auf sich genommen. Er wurde gleichwie wir, damit wir ewigen Frieden und ewige Gewissheit hätten. Wir haben einen Fürsprecher im Himmel, und wer ihn persönlich als Heiland annimmt, ist kein Waisenkind mehr, das die Last seiner Sünde zu tragen hätte.
„Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder.“ „Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn anders wir mit leiden, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“ „Und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1.Johannes 3,2; Römer 8,17)
Der erste Schritt auf dem Wege zu Gott heißt: erkennen und glauben „die Liebe, die Gott zu uns hat“ (1.Johannes 4,16), denn die anziehende Wirkung seiner Liebe führt uns zu ihm.
Die Erkenntnis der Liebe Gottes bewirkt die Aufgabe unserer Selbstsucht. Wenn wir Gott unseren Vater nennen, erkennen wir alle seine Kinder als unsere Brüder an. Jeder von uns ist ein Blatt am Baum des Menschengeschlechts, gehört mithin der gleichen Familie an. Wenn wir beten, sollen wir nicht nur an uns, sondern auch an unsere Nachbarn denken. Wer nur seinen Segen sucht, betet nicht im rechten Sinne.
Jesus sagte, daß der unendliche Gott dir die Gnade gewährt hat, ihm mit der Bezeichnung eines Vaters zu nahen. Versenke dich einmal in den Sinn dieses Wortes! Irdische Eltern haben noch nie so ernstlich um ein verirrtes Kind gerungen, wie der Schöpfer sich um den Übertreter müht. Es ist keinem Unbußfertigen je von Menschen solch liebevolle Anteilnahme geschenkt worden, wie Gott sie in seinen feinfühlenden Gewinnungsversuchen zeigt. Gott wohnt in jeder Hütte, hört jedes gesprochene Wort, ihm entgeht kein einziges Gebet, er spürt Sorgen und Schmerz jedes einzelnen, beobachtet auch das Verhalten zu Vater, Mutter, Geschwistern, Freunden und Nachbarn. Er sorgt für alle unsere Notdurft, und seine Liebe, Barmherzigkeit und Gnade strömen uns unablässig zu, uns helfend beizustehen.
Nennst du also Gott deinen Vater, dann bekennst du dich als sein Kind, das sich gern seiner weisen Führung anvertraut, ihm in allen Stücken gehorsam sein will und von seiner unwandelbaren Liebe überzeugt ist. Du wirst seine Führung in deinem Leben anerkennen. Als Kind Gottes wirst du auch sehr auf seine Ehre, sein Wesen, seine Familie und sein Werk bedacht sein. Es wird deine höchste Freude sein, dein Verhältnis zu deinem Vater vor allen Gliedern seiner Familie zu bekennen und zu ehren. Du wirst jeden noch so geringen Dienst mit Freuden verrichten, wenn er zur Ehre Gottes und zur Wohlfahrt deiner Mitmenschen beiträgt.
„In dem Himmel.“ Der Gott, zu dem Christus uns als zu „unserem Vater“ aufschauen lehrt, ist „im Himmel; er kann schaffen, was er will“. (Psalm 115,3) Unter seiner Obhut haben wir Sicherheit und Ruhe und können sprechen: „Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich.“ (Psalm 56,4)

„Dein Name werde geheiligt“
Die Heiligung des Namens Gottes heischt es, dass die Bezeichnung des höchsten Wesens nur mit Ehrerbietung ausgesprochen wird. „Heilig und hehr ist sein Name.“ (Psalm 111,9) Wir dürfen nie und nimmer die Namen und Anreden Gottes leichtfertig hinsprechen. Wenn wir beten, treten wir ins Sprechzimmer des Allerhöchsten ein. Es gebührt uns, ihm mit heiliger Ehrfurcht zu nahen. Die Engel verbergen in seiner Gegenwart ihr Angesicht. Die Cherubim und die glänzenden, heiligen Seraphim treten mit größter Ehrerbietung vor seinen Thron. Wieviel mehr kommt es uns sterblichen, sündigen Geschöpfen zu, dem Herrn, unserem Schöpfer, ehrerbietig zu nahen!
Den Namen des Herrn zu heiligen, bedeutet aber noch mehr als das. Wir können gleich den Juden zur Zeit Christi Gott äußerlich die größte Ehre erweisen und doch fort und fort seinen Namen entweihen. Der Name des Herrn ist „barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue! der da … vergibt Missetat, Übertretung und Sünde“. (2.Mose 34,6.7) Von der Gemeinde Christi steht geschrieben: „Man wird“ sie „nennen: ‚Der Herr unsere Gerechtigkeit’“. (Jeremia 33,16)
Diesen Namen erhält jeder wahre Nachfolger Christi. Er ist das Erbteil des Gotteskindes. Die Familie trägt den Namen des Vaters. Der Prophet Jeremia betete zur Zeit des größten Niedergangs und der Heimsuchung Israels: „Wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!“ (Jeremia 14,9)
Die Engel des Himmels und die Bewohner der sündlosen Welten heiligen diesen Namen. Wenn du betest: „Dein Name werde geheiligt“, bittest du darum, dass er in dieser Welt und auch in dir geheiligt werde. Gott hat dich vor Menschen und Engeln als sein Kind anerkannt. Nun bitte ihn auch, dass du seinem „guten Namen, der über euch genannt ist“ (Jakobus 2,7), keine Schande bereitest. Gott hat dich zu seinem Vertreter in dieser Welt gemacht. In allen deinen Lebensregungen soll sich der Name Gottes offenbaren. Das bedeutet nichts anderes, als dass dir sein Wesen eigen sein soll. Du kannst seinen Namen nicht heiligen, kannst ihm vor der Welt keine Ehre machen, wenn du nicht in deinem Leben und Wesen das Leben und Wesen Gottes offenbarst. Das aber wird dir nur möglich sein, wenn du dir die Gnade und Gerechtigkeit Christi zu eigen machst.

„Dein Reich komme“
Gott ist unser Vater, der uns als seine Kinder liebt und für uns sorgt. Er ist aber auch der erhabene König des Weltalls. Deshalb sind die Belange seines Königreiches die unseren, und wir haben die Aufgabe, uns für seine Aufrichtung einzusetzen.
Die Jünger Christi erhofften die unmittelbare Aufrichtung des Reiches seiner Herrlichkeit. Mit dieser Bitte aber belehrte Jesus sie, dass dies Reich zu ihrer Zeit noch nicht zu erwarten war. Sie sollten sein Kommen als zukünftiges Ereignis erflehen. Doch diese Bitte kam ihnen auch einer Verheißung gleich. Wohl bestand für ihre Lebenszeit keine Aussicht auf das Königreich Gottes, weshalb Jesus ihnen auch befahl, dafür zu beten; aber zu der von Gott vorgesehenen Zeit wird es bestimmt kommen.
Heute schon wird dagegen das Reich der göttlichen Gnade errichtet, da Tag für Tag Herzen, ehedem sündig und empörerisch, sich der Liebe Gottes unterwerfen. Doch die vollständige Errichtung des Reiches seiner Herrlichkeit wird nicht vor der Wiederkunft Christi auf diese Erde stattfinden. „Das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden.“ (Daniel 7,27) Sie werden das Reich ererben, das ihnen „bereitet ist von Anbeginn der Welt“. (Matthäus 25,34) Dann wird Christus seine große Macht ergreifen und seine Herrschaft antreten.
Es werden sich abermals des Himmels Tore öffnen, und unser Heiland wird alsdann als König aller Könige und Herr aller Herren hervortreten mit zehntausendmal zehntausend Heiligen. Jahwe Immanuel ist nun König „über alle Lande. Zu der Zeit wird der Herr der einzige sein und sein Name der einzige“. (Sacharja 14,9) „Die Hütte Gottes“ ist unter den Menschen, und „er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott, wird mit ihnen sein“. (Offenbarung 21,3)
Jesus sagte, vor seiner Wiederkunft werde „gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker“. (Matthäus 24,14) Sein Reich wird erst dann kommen, wenn die Heilsbotschaft von seiner Gnade über die ganze Erde gegangen ist. Mithin rücken wir dies Ereignis in die Nähe, wenn wir uns Gott weihen und ihm Seelen gewinnen. Ja, wer sich ihm zu seinem Dienste weiht und spricht: „Hier bin ich, sende mich“, dass er der Blinden Augen auftue und Menschen bekehre „von der Finsternis zu dem Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, um zu empfangen Vergebung der Sünden und das Erbteil samt denen, die geheiligt sind“ (Jesaja 6,8; Apostelgeschichte 26,18), der kann von ganzem Herzen beten „Dein Reich komme.“

„Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel“
Der Wille Gottes, wie er in seinem heiligen Gesetz zum Ausdruck kommt, und die Grundlagen dieses Gesetzes sind die gleichen wie die Grundlagen des Himmels. Die Engel im Himmel erreichen keine höhere Stufe der Erkenntnis, als den Willen Gottes zu kennen. Die Durchführung dieses Willens ist der erhabene Dienst, dem sie ihre Kräfte weihen.
Doch im Himmel wird kein Dienst aus gesetzlichem Zwang geleistet. Als der Teufel sich gegen das Gesetz Jahwes empörte, kam es den Engeln erst zum Bewusstsein, dass es ein Gesetz gab. Die Engel verrichten ihren Dienst nicht wie Diener, sondern wie Söhne. Zwischen ihnen und ihrem Schöpfer herrscht völlige Einigkeit. Gehorsam ist ihnen keine Last. Die Liebe zu Gott macht ihnen ihren Dienst zur Freude. So finden auch in jedem Menschen, in dem Christus, die Hoffnung der Herrlichkeit, wohnt, seine Worte Widerhall: „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen.“ (Psalm 40,9) Die Bitte: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel“ hat zum Inhalt, dass die Herrschaft des Bösen auf dieser Erde ein Ende nehme, dass die Sünde ewigen Untergang finde und das Königreich der Gerechtigkeit aufgerichtet werde. Dann wird Gott auf Erden wie im Himmel vollenden „allen rechten Willen zur Güte“. (2.Thessalonicher 1,11)

„Unser täglich Brot gib uns heute“
Die erste Hälfte des Gebets, das uns Jesus gelehrt hat, bezieht sich auf den Namen, das Reich und den Willen Gottes: sein Name soll geehrt, sein Reich aufgerichtet und sein Wille getan werden. Hast du damit den Dienst Gottes all deinem Streben vorangestellt, dann magst du vertrauensvoll bitten, dass Gott auch deiner Bedürfnisse gedenken möge. Hast du dich von dir selbst losgesagt und Christus übergeben, dann gehörst du zur Familie Gottes, und alles im Hause des Vaters gehört auch dir. Alle Schätze Gottes sind dir zugänglich und damit nicht nur diese, sondern auch die zukünftige Welt. Der Dienst der Engel, die Gabe seines Geistes, das Werk seiner Sendboten, alles steht dir zur Verfügung. Die Welt mit allem, was darin ist, gehört dir zu, soweit es dir zum Guten gereicht. Selbst die Feindschaft der Bösen wird dir zum Segen gereichen, denn sie erzieht dich fürs Himmelreich. Wenn du Christus angehörst, dann ist alles dein. (1.Korinther 3,21-23)
Und doch bist du einem Kinde gleich, das seine Erbschaft noch nicht angetreten hat. Gott setzt dich noch nicht in den Genuss deiner köstlichen Güter, weil es sonst dem Teufel mit seiner Verführungskunst gelingen könnte, dich gleich Adam und Eva im Paradiese zu betrügen. Christus hält dir das Erbe noch bereit, damit es vor dem Verderber sicher sei. Einem Kinde gleich wirst du indessen Tag für Tag empfangen, was du gerade zum Leben nötig hast. Du sollst jeden Tag beten: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Du sollst nicht
den Mut verlieren, wenn es nicht für morgen reicht, denn dir gilt die Verheißung: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.“ (Hebräer 13,5) David sagte „Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie den Gerechten verlassen gesehen und seine Kinder um Brot betteln.“ (Psalm 37,25) Der Gott, der die Raben aussandte, Elia am Bache Krith zu speisen, wird an keinem seiner getreuen Kinder vorübergehen, die sich selbst verleugnen. Von dem, der in Gerechtigkeit wandelt, steht geschrieben: „Sein Brot wird ihm gegeben, sein Wasser hat er gewiss.“ „Sie werden nicht zuschanden in böser Zeit, und in der Hungersnot werden sie genug haben.“ Gott, „welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Jesaja 33,16; Psalm 37,19; Römer 8,32) Der seiner verwitweten Mutter die Sorge und Bürde erleichterte und ihren Haushalt in Nazareth versorgen half, hat Mitgefühl mit jeder Mutter, die um Brot für ihre Kinder ringt. Der sich der Menge erbarmte, weil sie „verschmachtet und zerstreut“ (Matthäus 9,36) war, hat auch heute Mitleid mit den Armen, die da leiden. Seine Hand ruht segnend über ihnen, und so lehrt er uns auch in dem Gebet, das er seinen Jüngern gab, der Armen zu gedenken.
Wenn wir beten: „Unser täglich Brot gib uns heute“, bitten wir nicht nur für uns, sondern auch für andere. Wir erkennen damit zugleich an, dass die uns von Gott geschenkten Gaben nicht für uns allein bestimmt sind. Gott gibt sie uns in der Erwartung, dass wir auch die Hungrigen speisen. Er labt die Elenden mit seinen Gütern. Er spricht: „Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade nicht deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn, auf dass sie dich nicht etwa wieder laden und dir vergolten werde. Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden, so bist du selig, denn sie haben’s nicht, dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden in der Auferstehung der Gerechten.“ (Lukas 14,12-14) „Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allewege volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk.“ „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“ (2.Korinther 9,8) Das Gebet ums tägliche Brot bezieht sich nicht nur auf die Erhaltung unseres Körpers, sondern auch auf die geistliche Nahrung der Seele zum ewigen Leben. Jesus sagt uns „Schaffet euch Speise, nicht, die vergänglich ist, sondern die da bleibt in das ewige Leben.“ „Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit.“ (Johannes 6,27.51) Unser Heiland ist das Brot des Lebens, und wenn wir seine Liebe betrachten und in unsere Seele aufnehmen, genießen wir das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wir empfangen Christus durch sein Wort. Der Heilige Geist ist uns gegeben, das Wort Gottes unserem Verständnis zu erschließen und uns seine Wahrheit ins Herz zu senken. Wir müssen täglich beten, dass Gott uns beim Lesen seines Wortes seinen Heiligen Geist verleihen möge, uns die Wahrheit zu offenbaren, aus der wir die für den Tag notwendige seelische Stärkung schöpfen.
Mit der Unterweisung, täglich um alles Notwendige, um leiblichen und geistlichen Segen zu bitten, verfolgt Gott einen guten Zweck. Er möchte in uns die Überzeugung wecken, dass wir von seiner beständigen Fürsorge abhängig sind. Will er uns doch in den Kreis seiner Gemeinschaft ziehen. In dieser Gemeinschaft sollen wir hungrigen Seelen durch Gebet und Eindringen in die erhabenen und köstlichen Wahrheiten seines Wortes gesättigt werden und Erquickung finden am Lebensbrunnen.

„Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern“
Jesus lehrt, dass Gott uns nur dann vergibt, wenn wir auch anderen vergeben. Die Liebe Gottes zieht uns zu ihm, und wenn sie unsere Herzen rührt, dann schafft sie dort auch Liebe zu unseren Brüdern.
Als der Herr das Vaterunser gesprochen hatte, fügte er hinzu: „Wenn ihr den Menschen ihre Übertretungen vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Übertretungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6,14.15) Wer nicht bereit ist zu vergeben, verstopft sich die Leitung, durch die ihm die Barmherzigkeit Gottes zuströmt. Wir dürfen uns nicht dem Gedanken hingeben, dass wir dem Beleidiger unsere Vergebung vorenthalten dürften, solange er seinen Fehler nicht bekannt hat. Sicherlich hat er sich durch Reue und Bekenntnis zu demütigen; aber wir sollen Mitleid mit dem haben, der sich gegen uns versündigt hat, ganz gleich, ob er seinen Fehler bekennt oder nicht. Wie schwer auch die uns geschlagenen Wunden sein mögen, sollen wir doch keinen Groll hegen oder Mitleid mit uns selber haben. Hoffen wir darauf, für unsere Vergehen gegen Gott Vergebung zu empfangen, dann müssen wir auch allen verzeihen, die sich an uns versündigt haben.
Vergebung aber ist von umfassenderer Bedeutung, als mancher annimmt. Wo Gott uns verheißt, dass bei ihm viel Vergebung ist, setzt er, als sollte die Bedeutung dieses Wortes alle unsere Begriffe übersteigen, hinzu: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ (Jesaja 55,8.9) Die Vergebung Gottes ist keine bloße gerichtliche Handlung, mit der er uns die Strafe erlässt. Sie bedeutet nicht nur Vergebung der Sünde, sondern auch Befreiung von der Sünde. Sie ist ein Ausströmen der Erlöserliebe mit Bekehrungskraft. David hatte den richtigen Begriff davon, als er betete: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“ (Psalm 51,12) Auch dort, wo er sagt: „So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein.“ (Psalm 103,12)
Gott gab sich in Christus selbst für unsere Sünden. Er litt den grausamen Kreuzestod, trug unsere Sündenlast, „der Gerechte für die Ungerechten“ (1.Petrus 3,18), seine Liebe zu uns zu offenbaren und uns zu sich zu ziehen. Er spricht: „Seid aber miteinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christus.“ (Epheser 4,32) Drum wollen wir Christus, das Leben aus Gott, in uns wohnen lassen, ihn durch uns die himmlische Liebe offenbaren lassen, damit Hoffnung in Verzweifelten und Himmelsfriede in Sündern aufsprieße. Wenn wir zu Gott kommen, empfangen wir unter der Bedingung Barmherzigkeit von ihm, dass wir uns dem Dienst der Gnadenverkündigung weihen. Willst du die vergebende Liebe Gottes empfangen und genießen, dann ist es zunächst notwendig, dass du wissest und glaubest die Liebe, die er zu uns hat. (1.Johannes 4,16) Der Teufel nimmt allen Betrug zu Hilfe, unseren Blicken diese Liebe zu verschleiern. Er will uns immer zu dem Gedanken verleiten, unsere Fehler und Übertretungen seien so schwer, dass der liebe Gott unsere Gebete gar nicht erhören, uns deshalb auch nicht segnen und erretten könne. Gewiss erscheinen wir uns selbst als ohnmächtig. Da ist nichts, was uns bei Gott empfehlen könnte. Und der Teufel flüstert uns ein, dass es erst gar keinen Zweck habe, sich aufzuraffen. Wir können unsere Fehler ja doch nicht tilgen. Suchen wir uns dennoch Gott zu nahen, so flüstert uns der Feind zu, dass es keinen Sinn habe zu beten, weil wir ja einen Fehler begangen haben. Wir hätten uns doch nun einmal gegen Gott versündigt und damit auch unser Gewissen verletzt. Aber wir wollen dem Feind sagen: „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“ (1.Johannes 1,7) Gerade wenn unsere Sünde auf uns lastet und wir nicht recht beten können, haben wir das Gebet nötig. Wir mögen uns schämen, mögen tief gedemütigt sein, trotzdem müssen wir beten und glauben. „Das ist gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin.“ (1.Timotheus 1,15) Vergebung, Versöhnung mit Gott erlangen wir nicht als Belohnung für unsere Werke, wird Sündern nicht als Verdienst gewährt, sondern ist eine Gabe an uns, die Christus durch seine untadelige Gerechtigkeit ermöglicht hat.

Wir sollten nie versuchen, durch Entschuldigung unserer Sünde unsere Schuld zu verringern. Wir müssen uns hier Gottes Beurteilung aneignen, und die ist in der Tat vernichtend. Wie furchtbar die Macht der Sünde ist, lässt sich nur am Kreuz von Golgatha abschätzen. Hätten wir unsere Sünde selbst zu tragen, so würde uns die Last erdrücken. Doch der Sündlose ist an unsere Stelle getreten, und obgleich er’s nicht verdiente, hat er unsere Missetaten getragen. „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er [Gott] treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ (1.Johannes 1,9) Herrliche Wahrheit! gerecht nach seinem Gesetz und doch Rechtfertiger aller, die an Jesus glauben. „Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die übriggeblieben sind von seinem Erbteil; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig!“ (Micha 7,18)

„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel“
Versuchung ist Verlockung zur Sünde. Sie kommt nicht von Gott, sondern von Satan und von dem in unserem Herzen schlummernden Bösen. „Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand.“ (Jakobus 1,13)
Satan sucht uns in Versuchung zu führen, damit Menschen und Engel unsere Schwächen erkennen und er uns als sein Eigentum beanspruchen kann. In der bildhaften Weissagung des Propheten Sacharja steht Satan zur Rechten des Engels des Herrn und verklagt Josua, den Hohenpriester, weil er unreine Kleider anhat. Er bereitet dem Engel Schwierigkeiten, der sich für Josua einsetzen will. Genauso stellt sich Satan zu den Menschen, die Christus zu sich ziehen will. Der Feind verleitet uns zur Sünde und beschuldigt uns dann vor aller Welt, dass wir der Liebe Gottes nicht würdig seien. Doch „der Engel des Herrn sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan! Ja, der Herr, der Jerusalem erwählt hat, schelte dich! Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist?“ Sacharja 3,2-5. Gott will in seiner großen Liebe die köstlichen Gnaden seines Geistes in uns keimen lassen. Er lässt es zu, dass wir auf Hindernisse stoßen, dass uns Verfolgung und Schwierigkeiten begegnen, aber nicht als Fluch, sondern als größter Segen unseres Lebens. Jedesmal, wenn wir einer Versuchung Widerstand geleistet, eine Trübsal tapfer erduldet haben, tragen wir den Gewinn einer neuen Erfahrung davon und kommen mit dem Aufbau unserer Persönlichkeit vorwärts. Wer durch göttliche Kraft der Versuchung widersteht, legt vor der Welt und vor dem Himmel davon Zeugnis ab, dass die Gnade Christi eine Kraft ist.
Doch während wir vor keiner noch so schweren Versuchung zu erschrecken brauchen, ist’s an uns zu beten, Gott möge uns vor solchen Lagen bewahren, in denen sündige Herzenstriebe uns verhängnisvoll werden könnten. Wenn wir das Gebet sprechen, das Christus uns gegeben hat, vertrauen wir uns der Führung Gottes an, bitten ihn um Führung auf sicherem Pfad. Wir können das Gebet nicht mit Überzeugung sprechen, wenn wir uns trotzdem für einen Weg eigener Wahl entscheiden. Wir müssen uns von seiner Hand führen lassen nach dem Wort: „Dies ist der Weg; den geht!“ (Jesaja 30,21)
Wir gefährden uns, wenn wir zögernd über die Vorteile nachdenken, die uns ein Eingehen auf die Einflüsterungen Satans gewähren könnte. Sünde bedeutet Unehre und Unglück jedem Menschen, der darein willigt, obgleich sie in schillerndem Gewande betörend und schmeichlerisch auftritt. Wenn wir uns in Satans Gebiet wagen, sind wir nicht des Schutzes vor seiner Gewalt sicher. Soweit es an uns liegt, müssen wir alle Türen schließen, durch die der Versucher bei uns Eingang finden könnte.
Das Gebet „Führe uns nicht in Versuchung“ ist gleichzeitig eine Verheißung. Übergeben wir uns Gott, dann ist uns gewiss: „Gott ist getreu, der euch nicht lässt versuchen über euer Vermögen, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende gewinne, dass ihr’s könnet ertragen.“ (1.Korinther 10,13)
Der einzige Schutz gegen das Böse besteht darin, daß durch den Glauben an seine Gerechtigkeit Christus in unseren Herzen wohnt. Weil noch die Selbstsucht in unseren Herzen herrscht, hat auch die Versuchung noch Macht über uns. Doch wenn wir die unendliche Liebe Gottes erkennen, wird uns das hässliche und abstoßende Wesen der Selbstsucht klar werden, und es entsteht in uns der Wunsch, sie aus unserer Seele zu bannen. Wie der Heilige Geist Christus verklärt, werden unsere Herzen nun weich und demütig, die Versuchung verliert ihre Macht, und die Gnade Christi bildet unser Wesen um.
Christus wird nimmer eine Seele verlassen, für die er gestorben ist. Die Seele mag ihn verlassen und in der Versuchung fallen; er selbst aber wird sich niemals von jemand abwenden, den er durch das Lösegeld seines eigenen Lebens erkauft hat. Würden unsere Augen aufgetan, dann könnten wir Menschen sehen, unter Lasten gebeugt und mit Sorgen beladen, tief bedrückt durchs Leben schreitend, vor Mutlosigkeit bereit, dies Dasein aufzugeben. Dann aber würden wir auch Engel wahrnehmen, die diesen schon am Rande des Abgrundes stehenden Versuchten schnell zu Hilfe eilen. Die Engel vom Himmel weisen die bösen Feinde zurück, die jene Menschen umringen, und führen die Bedrohten auf einen sicheren Pfad. Der zwischen diesen beiden Heerlagern wogende Kampf ist ebenso wirklich wie die von den Heeren dieser Welt geschlagenen Schlachten; doch vom Ausgang dieses Geisterkampfes hängt ewiges Leben ab.
Uns gilt wie Petrus das Wort: „Der Satan hat euer begehrt, dass er euch möchte sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Lukas 22,31.32. Gott sei Dank, dass wir nicht vereinsamt stehen. Der also die Welt geliebt hat, „dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,16), lässt uns im Kampfe mit dem Feinde Gottes und der Menschen nicht im Stich. Er spricht: „Sehet, ich habe euch Vollmacht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden.“ (Lukas 10,19)
Habt Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus, dann wird er euch fest bei der Hand fassen und nicht loslassen. Erkennt und glaubt die Liebe, die Gott zu uns hat, dann geht ihr sicher. Diese Liebe ist eine uneinnehmbare Festung gegen alle Anläufe und Anschläge Satans. „Der Name des Herrn ist eine feste Burg; der Gerechte läuft dorthin und wird beschirmt.“ (Sprüche 18,10)

„Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“
Der erste und auch der letzte Satz des Vaterunsers beziehen sich auf unseren allmächtigen und allherrschenden Vater, dessen Name über allen Namen steht. Der Heiland sah die Zukunft vor den Jüngern nicht, wie sie sich’s erträumten, im Sonnenglanze von Wohlstand und Ehre ausgebreitet, sondern durch Gewitterstürme menschlichen Hasses und teuflischer Wut verfinstert. In Unruhen und im Niedergang der Völker lauerten den Jüngern auf ihrem Wege Gefahren auf, dass ihre Herzen gar oft vor Furcht erzittern
mussten. Sie sollten Jerusalem wüst, den Tempel vernichtet, den Gottesdienst für immer aufgehoben und Israel, Wrackstücken an öder Küste gleich, in alle Lande zerstreut sehen. Jesus sprach: „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei.“ „Es wird sich empören ein Volk wider das andere und ein Königreich wider das andere, und werden sein teure Zeit und Erdbeben hin und her. Das alles aber ist der Anfang der Wehen.“ (Matthäus 24,6-8) Doch die Jünger Christi brauchten nicht zu fürchten, dass ihre Hoffnung vergebens gewesen sei oder dass Gott die Erde ihrem Schicksal überlassen habe. Es gehören ihm trotzdem Kraft und Herrlichkeit zu, da seine erhabenen Absichten weiter ungehindert ihrer Vollendung entgegengehen. Im Gebet um ihre täglichen Bedürfnisse werden die Jünger Christi angehalten, über alle Macht und Herrschaft des Bösen hinwegzuschauen auf den Herrn, ihren Gott, dessen Herrschaft sich über alles erstreckt und der ihr Vater und ewiger Freund ist.
Der Untergang Jerusalems ist ein Bild jenes Untergangs, der die ganze Welt heimsuchen wird. Die Weissagungen, die mit der Eroberung Jerusalems teilweise erfüllt wurden, sind noch mehr auf die letzte Zeit anzuwenden. Wir stehen an der Schwelle ungeheurer und überwältigender Ereignisse. Wir stehen vor einer Umgestaltung, wie die Welt sie noch nie erlebt hat. Tröstlich klingt uns wie den ersten Jüngern da die Verheißung, dass Gottes Reich sich über alles erstreckt. Die Abwicklung der künftigen Ereignisse liegt völlig in den Händen unseres Schöpfers. Der König des Himmels bestimmt das Schicksal der Völker und behält außerdem die Leitung seiner Gemeinde in seiner Hand. Der göttliche Meister spricht zu jedem Werkzeug, das seinen Plänen dient, wie einst zu Kores: „Ich habe dich gerüstet, obgleich du mich nicht kanntest.“ (Jesaja 45,5)
Im Gesichte des Propheten Hesekiel erschien eine Hand unter den Flügeln der Cherubim. Daraus sollen die Diener Gottes lernen, dass aller Erfolg von göttlicher Kraft abhängig ist. Wen Gott als Boten gebraucht, der soll ja nicht denken, dass das Werk von ihm abhänge. Für uns vergängliche Menschen wäre diese Verantwortlichkeit zu groß. Der da nicht schlummert, der fortwährend an der Vollendung seiner Absichten arbeitet, wird selber sein Werk fördern. Er wird die Absichten böser Menschen zunichte machen, wird den Ratschlag derer verwirren, die Arges gegen sein Volk beabsichtigen. Der König, der Herr der Heerscharen, der zwischen den Cherubim thront, behütet heute noch seine Kinder inmitten allen Streites und Aufruhrs. Und der im Himmel waltet, ist unser Heiland. Er bemisst jede Versuchung und bewacht das Läuterungsfeuer, in dem jeder einzelne sich zu bewähren hat. Wenn die Festungen der Könige zerstört werden, wenn Zornespfeile durch die Herzen seiner Feinde dringen, ist sein Volk doch sicher in seiner Hand.
„Dein, Herr, ist die Majestät und Gewalt, Herrlichkeit, Sieg und Hoheit. Denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein … In deiner Hand steht Kraft und Macht, in deiner Hand steht es, jedermann groß und stark zu machen.“ (1.Chronik 29,11.12)

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