Das Werk des Arztes

Das Werk des Arztes

Der Arzt, welcher ein guter Arbeiter Jesu Christi sein möchte, wird danach streben, in seinem ganzen Werk tüchtig zu werden. Er wird fleißig studieren, damit er für die Verantwortlichkeiten seines Berufes tüchtig sei; er wird beständig danach streben, einen höheren Standpunkt zu erreichen, nach vermehrter Erkenntnis, größerer Geschicklichkeit und tieferem Unterscheidungsvermögen suchen. Jeder Arzt sollte erkennen, dass derjenige, der eine geringe ungenügende Arbeit tut, nicht nur den Kranken Schaden zufügt, sondern auch gegen seine Berufsgenossen eine Ungerechtigkeit begeht. Der Arzt, der mit einem niederen Standpunkt der Geschicklichkeit und der Erkenntnisse zufrieden ist, erniedrigt nicht nur den ärztlichen Beruf, sondern macht auch Christus, dem großen Arzt, Unehre. Solche, die sich für den ärztlichen Beruf untauglich finden, sollten irgend eine andere Beschäftigung wählen. Andere, die sich zur Krankenpflege gut eignen, deren Ausbildung und ärztliche Fähigkeiten aber beschränkt sind, würden gut tun, den bescheideneren Teil der Arbeit aufzunehmen, indem sie treu als Pfleger dienen. Durch geduldigen Dienst unter geschickten Ärzten können sie stets lernen, und indem sie jede Gelegenheit benutzen, sich Kenntnisse anzueignen, mögen sie mit der Zeit vollkommen für die Arbeit eines Arztes tüchtig werden. Die jüngeren Ärzte sollten „als Mithelfer (des großen Arztes) … nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangen … niemand irgend ein Ärgernis geben, auf dass unser Amt (an den Kranken) nicht verlästert werde, sondern in allen Dingen beweisen wir uns als die Diener Gottes.“ (2.Korinther 6,1-4)   
Gottes Absicht für uns ist, dass wir immer aufwärts streben sollen. Der wahre Missionsarzt wird stets zur praktischen Geschicklichkeit fortschreiten. Talentvolle, christliche Ärzte, die vorzügliche Fähigkeiten für ihren Beruf haben, sollten ausgewählt und ermutigt werden, in den Dienst Gottes zu treten, an Orten, wo sie andere ausbilden und erziehen können, um ärztliche Missionare zu werden. Der Arzt sollte das Licht des Wortes Gottes in seine Seele aufnehmen. Er sollte beständig in der Gnade wachsen. Für ihn darf die Religion nicht nur ein Einfluss unter anderen sein, sondern der Einfluss, welcher alle anderen beherrscht. Er soll aus hohen, heiligen Beweggründen handeln — aus Beweggründen, die mächtig sind, weil sie von dem Einen ausgehen, der sein Leben hingab, um uns die Macht zu verleihen, das Böse zu überwinden.   
Wenn der Arzt treu und eifrig danach strebt, in seinem Beruf tüchtig zu werden, wenn er sich dem Dienst Christi weiht und sich Zeit nimmt, sein eigenes Herz zu durchforschen, so wird er verstehen lernen, die Geheimnisse seiner heiligen Berufung zu erfassen. Er kann sich selbst so ausbilden und erziehen, dass alle innerhalb seines Einflusses die Vorzüglichkeit der Erziehung und Weisheit bezeugen werden, die derjenige erlangt, der mit dem Gott der Weisheit und Macht verbunden ist.


Ein göttlicher Helfer im Krankenzimmer

Keine Arbeit erfordert eine engere Gemeinschaft mit Christo als die Arbeit des Arztes. Wer richtig die Pflichten eines Arztes erfüllen will, muss täglich und stündlich ein christliches Leben führen. Das Leben des Patienten liegt in den Händen des Arztes. Eine oberflächliche Feststellung der Krankheit, ein falsches Rezept in einem kritischen Falle, eine ungeschickte Bewegung der Hand bei einer Operation, vielleicht nur um eines Haares Breite, und ein Leben kann geopfert sein, eine Seele geht in die Ewigkeit ein. Wie feierlich ist der Gedanke! Wie wichtig ist es, dass der Arzt stets unter der Leitung des göttlichen Oberarztes steht! Der Heiland will gern allen helfen, welche ihn um Weisheit und Klarheit der Gedanken bitten. Und wer bedarf mehr der Weisheit und der klaren Gedanken als der Arzt, von dessen Entscheidung so viel abhängt? Der Mann, welcher das Leben zu verlängern versucht, sollte im Glauben auf Christum schauen, damit er jede seiner Bewegungen leite. Der Heiland wird ihm sein Gefühl und seine Geschicklichkeit bei der Behandlung schwieriger Fälle verleihen.   
Wunderbare Gelegenheiten bieten sich dem Hüter der Kranken. In allem, was für die Wiederherstellung derselben geschieht, sollten sie erkennen, dass der Arzt versucht, sie zu Mitarbeitern Gottes zu machen, die Krankheit zu besiegen. Er sollte sie fühlen lassen, dass sie bei jedem Schritt, den sie in Übereinstimmung mit den Gesetzen Gottes unternehmen, die Hilfe der göttlichen Kraft erwarten dürfen.   
Die Kranken und Leidenden haben viel mehr Vertrauen zu einem Arzt, von dem sie überzeugt sind, dass er Gott liebt und fürchtet. Sie verlassen sich auf seine Worte. Sie haben ein Gefühl der Sicherheit in der Gegenwart und in der Hilfeleistung eines solchen Arztes. Es ist das Vorrecht des christlichen Arztes, wenn er den Herrn Jesum kennt, im Gebet seine Gegenwart für das Krankenzimmer zu erflehen. Ehe er zu einer kritischen Operation schreitet, sollte der Arzt die Hilfe des großen Arztes erbitten. Er sollte den Leidenden die Versicherung geben, dass Gott ihn sicher durch diese Prüfung hindurchbringen kann, dass er für diejenigen, die ihm vertrauen, in allen schweren Zeiten eine sichere Zuflucht ist. Der Arzt, der dies nicht tun kann, verliert einen Fall nach dem anderen, welcher sonst hätte gerettet werden können. Kann er Worte aussprechen, welche Glauben an den mitleidigen Heiland einflößen, welcher jeden Angstseufzer vernimmt, und kann er die Bedürfnisse der Seele dem Herrn im Gebet vorführen, so wird die Krisis in viel mehr Fällen glücklich verlaufen.   

Nur der Herzenskündiger weiß, mit wieviel Zittern und Schrecken viele Patienten in eine Operation unter der Hand eines Chirurgen einwilligen. Sie erkennen ihre Gefahr. Wenn sie auch der Geschicklichkeit des Arztes vertrauen, so wissen sie doch, dass er nicht unfehlbar ist. Wenn sie aber sehen, dass der Arzt sich im Gebet beugt und Gottes Hilfe erfleht, werden sie mit Vertrauen erfüllt. Dankbarkeit und Zuversicht öffnen das Herz der Heilkraft Gottes, die Kräfte des ganzen Wesens werden neu belebt und die Lebenskraft siegt. Auch für den Arzt ist die Gegenwart des Heilandes ein Element der Stärke. Oft ruht die Verantwortlichkeit und Möglichkeit seiner Arbeit schwer auf seinem Geist. Eine fieberische Ungewissheit und Furcht machen die Hand ungeschickt, aber die Gewissheit, dass der göttliche Ratgeber ihm zur Seite steht, um ihn zu leiten und zu unterstützen, verleiht ihm Ruhe und Mut. Die Berührung Christi verleiht der Hand des Arztes neue Lebenskraft, Ruhe und Vertrauen.   
Wenn die Krise glücklich überstanden und Erfolg in Aussicht ist, sollten einige Augenblicke im Gebet mit dem Patienten verbracht werden. Gebt eurer Dankbarkeit Ausdruck für das Leben, welches bewahrt wurde. Wenn der Patient Worte der Dankbarkeit gegen den Arzt ausspricht, so lenkt das Lob und die Danksagung auf Gott. Sagt dem Patienten, dass sein Leben bewahrt wurde, weil er unter dem Schutz des himmlischen Arztes stand. Wenn der Arzt auf diese Weise verfährt, so leitet er seine Patienten zu dem einen, von welchem sein Leben abhängt und der retten kann immerdar, die zu ihm kommen.


Seelsorge

In der ärztlichen Missionsarbeit sollte ein tiefes Verlangen für die Rettung von Seelen mitwirken. Dem Arzt ist ebensowohl wie dem Prediger das Höchste anvertraut, was jemals Menschen übertragen wird. Einem jeden Arzt ist die Heilung von Seelen anvertraut, ob er es erkennt oder nicht. Da die Ärzte in ihrem Beruf mit Krankheit und Tod zu tun haben, verlieren sie zu oft die feierlichen Wirklichkeiten des zukünftigen Lebens aus dem Auge. In ihrer ernsten Bemühung, die Gefahr des Leibes abzuwenden, vergessen sie die Gefahr der Seele. Vielleicht verliert derjenige, dem sie dienen, seinen Halt am Leben, die letzten Gelegenheiten entschlüpfen seinen Händen. Dieser Seele muss der Arzt am Richterstuhl Christi wieder begegnen. Wir gehen oft des köstlichsten Segens verlustig, indem wir es unterlassen, ein Wort zur rechten Zeit zu reden. Wenn die goldene Gelegenheit nicht beachtet wird, ist sie verloren. Am Bett des Kranken sollte kein Wort über Glaubensbekenntnis oder streitige Glaubensfragen geredet werden. Verweist den Leidenden auf ihn, der gern alle rettet, die im Glauben zu ihm kommen. Ernstlich und zärtlich strebe man danach, der Seele zu helfen, die zwischen Leben und Tod schwebt. Weiß der Arzt, dass Christus sein persönlicher Heiland ist, weil er selbst bei ihm Zuflucht fand, so weiß er auch, wie er mit der zitternden, schuldigen, sündenkranken Seele handeln soll, die sich hilfesuchend an ihn wendet. Er kann die Frage beantworten: „Was muß ich tun, daß ich selig werde?“ Er kann von der Liebe des Erlösers erzählen, er kann aus Erfahrung über die Macht der Reue und des Glaubens sprechen. Er kann in einfachen, ernsten Worten die Bedürfnisse der Seele im Gebet Gott vorlegen und kann den Kranken ermutigen, ebenfalls zu bitten und die Gnade des mitleidsvollen Heilandes anzunehmen. Wenn er auf diese Weise an dem Krankenbett dient und Worte redet, welche Hilfe und Trost spenden, so wirkt der Herr mit ihm und durch ihn. Wenn das Gemüt des Leidenden auf den Heiland gerichtet ist, erfüllt der Friede Christi sein Herz und die geistige Gesundheit, welche er erlangt, wird als die hilfreiche Hand Gottes dienen, die Gesundheit des Körpers wieder herzustellen.

Der Arzt wird auch oft Gelegenheit finden, bei seinen Krankenbesuchen den Freunden des Erkrankten dienen zu können. Wenn sie an dem Krankenbett wachen und sich machtlos fühlen, einen Stich des Schmerzes oder der Angst zu verhindern, so werden ihre Herzen erweicht. Oft wird der Kummer, welcher vor anderen verborgen wird, dem Arzt gegenüber ausgesprochen. Dann hat er Gelegenheit, diese bekümmerten Seelen auf ihn zu verweisen, der die Mühseligen und Beladenen eingeladen hat, zu ihm zu kommen. Oft kann er für sie und mit ihnen beten und ihre Not dem Heiler aller Schmerzen, der allen Kummer lindert, vorlegen.

Gottes Verheißungen

Dem Arzt bieten sich köstliche Gelegenheiten, seine Patienten auf die Verheißungen des Wortes Gottes zu verweisen. Er kann aus dem Schatzhaus Neues und Altes hervorbringen, kann hier und da Worte des Trostes und der Belehrung sprechen, nach denen man verlangt. Der Arzt sollte stets eine Fülle frischer, lebendiger Gedanken haben. Dazu sollte er sorgfältig das Wort Gottes studieren, damit er mit den Verheißungen desselben vertraut ist. Die Trostesworte sollten auf seinen Lippen sein, welche Christus während seines irdischen Dienstes sprach, wenn er seine Belehrungen erteilte und die Kranken heilte. Er sollte von den Heilungen sprechen, welche Christus vollbrachte und von seiner Zärtlichkeit und Liebe. Niemals sollte er versäumen, die Gedanken seiner Patienten auf Christum, den großen Arzt zu richten. Dieselbe Kraft, welche Christus ausübte als er sichtbar unter den Menschen wandelte, enthält sein Wort heute noch. Durch sein Wort heilte Jesus Krankheiten und trieb Dämonen aus; durch sein Wort stillte er den Sturm auf der See und erweckte die Toten, und das Volk bezeugte, dass sein Wort Macht hatte. Er redete das Wort Gottes, wie er es geredet hatte zu allen Propheten und Lehrern des Alten Testaments. Die ganze Bibel ist eine Offenbarung Christi. Wir sollen die Schrift als das Wort Gottes an uns annehmen, welches nicht nur für uns geschrieben ist, sondern auch zu uns gesprochen. Als die Angefochtenen zu Christo kamen, schaute er nicht nur auf diejenigen, welche damals um Hilfe baten, sondern auf alle, welche bis auf den heutigen Tag mit den gleichen Nöten und dem gleichen Glauben zu ihm kommen würden. Als er zu dem Gichtbrüchigen sagte: „Sei getrost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben;“ (Matthäus 9,2;) als er zu dem Weib von Kapernaum sprach: „Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden,“ (Lukas 8,48;) da redete er auch zu allen anderen betrübten, sündenbeladenen Seelen, welche seitdem seine Hilfe suchen würden.

Mit allen Verheißungen des Wortes Gottes verhält es sich so. Er spricht in denselben zu uns persönlich und so direkt, als wenn wir seiner Stimme lauschen könnten. In diesen Verheißungen teilt Christus uns seine Gnade und Kraft mit. Sie sind Blätter von jenem Baum, welcher „zur Heilung der Nationen“ (Offenbarung 22,2 Elberfelder) dient. Angenommen und in sich aufgenommen verleihen sie Festigkeit des Charakters, teilen Leben mit und erhalten es. Nichts anderes kann solche Heilkraft ausströmen. Nichts anderes kann den Mut und den Glauben mitteilen, welcher dem ganzen Wesen Lebenskraft verleiht. Demjenigen, der zitternd vor Furcht an dem Rand des Grabes steht, der Seele, welche müde ist von der Last der Leiden und Sünde, sollte der Arzt, wenn er Gelegenheit hat, die Worte des Heilandes wiederholen — denn alle Worte der heiligen Schrift sind seine Worte. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. Denn so du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen; und so du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige in Israel, dein Heiland… . Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, musst du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb.“ „Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen, und gedenke deiner Sünden nicht.“ „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.“ (Jesaja 43,1-4.25.5) „Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten. Denn er weiß, was für ein Gemächte wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.“ (Psalm 103,13.14) „Allein erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast.“ „So wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ (Jeremia 3,13; 1.Johannes 1,9) „Ich vertilge deine Missetaten wie eine Wolke, und deine Sünden wie den Nebel. Kehre dich zu mir; denn ich erlöse dich.“ Jesaja 44,22. „So kommt denn, und lasset uns mit einander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden; und wenn sie gleich ist wie Scharlach, soll sie doch wie Wolle werden.“ (Jesaja 1,18)  „Ich habe dich je und je geliebt, darum hab ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen; aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.“ (Jeremia 31,3; Jesaja 54,7)  „Euer Herz erschrecke nicht.“ „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht, und fürchte sich nicht.“ (Johannes 14,1.27) „Dass ein jeglicher unter ihnen sein wird wie eine Zuflucht vor dem Wind, und wie ein Schirm vor dem Platzregen, wie die Wasserbäche am dürren Ort, wie der Schatten eines großen Felsen im trockenen Lande.“ (Jesaja 32,2) „Die Elenden und Armen suchen Wasser, und ist nichts da; ihre Zunge verdorrt vor Durst. Aber ich, der Herr, will sie erhören, ich, der Gott Israels, will sie nicht verlassen.“ (Jesaja 41,17) „So spricht der Herr, der dich gemacht hat: … Ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre; ich will meinen Geist auf deinen Samen gießen und meinen Segen auf deine Nachkommen.“ (Jesaja 44,2.3) „Wendet euch zu mir so werdet ihr selig, aller Welt Enden.“ (Jesaja 45,22) „Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere Schmerzen.“ „Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet, und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53,4.5)

Der Arzt, welcher den Familien in ihrem Heim dient, ihrer am Krankenbett wartet, ihre Leiden lindert und sie von dem Rand des Grabes zurückbringt, der dem Sterbenden Hoffnung zuspricht, gewinnt einen Platz in ihrem Vertrauen und ihrer Zuneigung, wie er wenig anderen zuteil wird. Selbst dem Prediger des Evangeliums sind nicht so große Möglichkeiten oder ein so weitreichender Einfluss geboten. Des Arztes Beispiel sowie seine Belehrung sollte eine bestimmte Macht auf der rechten Seite sein. Das Werk der Reform erfordert Männer und Frauen, deren tägliches Leben wahre Selbstbeherrschung veranschaulicht. Unsere eigene Handhabung der Grundsätze, welche wir einprägen, verleiht ihnen Wert. Die Welt bedarf einer praktischen Vorführung dessen, was die Gnade Gottes tun kann, um in menschlichen Wesen ihre verlorene Königswürde wiederherzustellen, indem sie ihnen die Herrschaft über sich selbst verleiht. Nichts bedarf die Welt so sehr als eine Erkenntnis der rettenden Macht des Evangeliums, wie sie in dem Leben von wahren Christen offenbart wird. Der Arzt wird beständig in Berührung mit solchen gebracht, welche die Stärke und Ermutigung eines richtigen Vorbildes nötig haben. Vielen mangelt es an moralischer Kraft. Es fehlt ihnen Selbstbeherrschung und sie werden leicht von der Versuchung überwunden. Der Arzt kann diesen Seelen nur helfen, wenn sich in seinem eigenen Leben eine Festigkeit der Grundsätze offenbart, welche ihn befähigt, über jede schädliche Gewohnheit und befleckende Lust zu siegen. Man muß in seinem Leben das Wirken einer göttlichen Macht sehen können. Wenn er hierin zu kurz kommt, so mögen seine Worte so eindringlich oder überzeugend sein wie sie wollen, so wird sein Einfluss doch nur zum Bösen gereichen.   
Viele suchen ärztlichen Rat oder Behandlung, welche durch ihre eigenen schlechten Gewohnheiten moralischen Schiffbruch erlitten haben. Sie sind verletzt und schwach und verwundet, sie fühlen ihre Torheit und ihre Unfähigkeit zu überwinden. Solche sollten nichts in ihrer Umgebung haben, was sie zu einer Fortsetzung der Gedanken und Gefühle, die sie zu dem gemacht haben was sie sind, anregt. Sie müssen eine Atmosphäre der Reinheit hoher und edler Gedanken atmen. Wie schrecklich ist die Verantwortung, wenn solche, die ihnen ein rechtes Vorbild sein sollten, selbst unter schädlichen Gewohnheiten schmachten und ihr Einfluss der Versuchung vermehrte Kraft verleiht!   

Der Arzt und die Mäßigkeit 

Viele kommen in ärztliche Behandlung, die Leib und Seele durch den Gebrauch von Tabak oder berauschenden Getränken verderben. Wenn der Arzt seine Verantwortlichkeit fühlt, wird er diesen Patienten die Ursache ihrer Leiden kundtun. Aber wenn er selbst Tabak oder geistige Getränke gebraucht, welchen Einfluss werden dann seine Worte haben? Wird er nicht zögern, wenn er sich der eigenen Befriedigung seiner Lust bewusst ist, auf den dunklen Flecken in dem Leben seines Patienten hinzuweisen? Wenn er diese Dinge selbst benutzt, wie kann er die Jugend von ihren schädlichen Folgen überzeugen? Wie kann ein Arzt in der Gesellschaft als ein Vorbild von Reinheit und Selbstbeherrschung dastehen, wie kann er ein erfolgreicher Arbeiter in der Mäßigkeitssache sein, während er selbst einer schlechten Gewohnheit frönt? Wie kann er dem Herrn an dem Kranken- und Sterbebett dienen, wenn sein eigener Atem nach starkem Getränk oder nach Tabak riecht? Wie kann ein Mann das Vertrauen rechtfertigen, welches man in ihn als einen geschickten Arzt setzt, wenn er seine Nerven ruiniert und sein Gehirn benebelt durch den Gebrauch narkotischer Gifte? Es ist unmöglich für ihn, eine rasche Entscheidung zu treffen oder mit Genauigkeit zu handeln!  Wenn er nicht die Gesetze beachtet, die sein eigenes Wesen regieren, wenn er selbstsüchtige Befriedigungen höher stellt als Gesundheit des Leibes und Geistes, erklärt er sich damit nicht selbst für untüchtig, dass ihm die Verantwortung für Menschenleben anvertraut wird?   

Entmutigungen in seiner Arbeit

Wie geschickt und treu ein Arzt auch sein mag, fehlt es in seiner Erfahrung nicht an scheinbarer Entmutigung oder Niederlage. Oft erreicht er durch seine Arbeit nicht, was er erreicht sehen möchte. Obgleich seinen Patienten die Gesundheit wiedergeschenkt wird, mag es weder für sie noch für die Welt von wirklichem Nutzen sein. Viele werden gesund, nur um die Ausschreitungen zu wiederholen, wodurch die Krankheit entstand. Mit demselben Eifer wie vorher stürzen sie sich wieder in den Strudel der Selbstbefriedigung und Torheit. Das Werk des Arztes scheint für sie eine vergebliche Bemühung gewesen zu sein. Christus machte dieselbe Erfahrung, aber er stellte seine Bemühungen für eine leidende Seele nicht ein. Von den zehn Aussätzigen, welche gereinigt wurden, schätzte nur einer die Gabe und er war ein Fremder und ein Samariter. Um dieses einen willen heilte Christus die zehn. Wenn der Arzt keinen besseren Erfolg hat als der Heiland hatte, so lasst ihn eine Lehre von dem großen Arzt lernen. Von Christo steht geschrieben: „Er wird nicht matt werden, noch verzagen.“ „Darum, dass seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben.“ (Jesaja 42,4; 53,11) Wenn auch nur eine Seele das Evangelium seiner Gnade angenommen hätte, so würde Christus, um diese eine zu retten, sein Leben der Arbeit und Demütigung und seinen schmachvollen Tod erwählt haben. Wenn durch unsere Bemühungen eine Seele aufgerichtet und veredelt wird, zubereitet, im Himmel vor dem Herrn zu scheinen, haben wir dann nicht Ursache zur Freude?


Persönliche Bedürfnisse und Gefahren 

Die Pflichten des Arztes sind schwer und aufreibend. Um dieselben erfolgreich erfüllen zu können, bedarf es einer starken Konstitution und einer guten Gesundheit. Ein Mann, welcher schwach oder kränklich ist, kann die angreifende Arbeit des ärztlichen Berufs nicht ertragen. Jemand, dem vollkommene Selbstbeherrschung fehlt, ist nicht dazu geeignet, mit allen Arten von Krankheit umzugehen. Oft des Schlafes beraubt, oft auch der Zeit, Nahrung zu sich zu nehmen, in hohem Grade von geselligen Erholungen und religiösen Vorrechten abgeschnitten, scheint das Leben des Arztes unter beständigen Schatten dahin zu gehen. Die Leiden, welche er sieht, die armen Sterblichen, die nach Hilfe verlangen, seine Berührung mit den Heruntergekommenen machen das Herz krank und zerstören fast das Vertrauen in die Menschheit. In dem Kampf mit Krankheit und Tod wird jede Kraft aufs äußerste angestrengt. Die Rückwirkung von dieser schrecklichen Anspannung prüft den Charakter aufs Höchste. Dann gerade hat die Versuchung die größte Macht. Der Arzt hat mehr als Männer in irgend einem anderen Beruf Selbstbeherrschung, Reinheit des Geistes und jenen Glauben, welcher sich an den Herrn hält, nötig. Um anderer willen und um seinetwillen darf er die Gesundheitsgesetze nicht missachten. Sorglosigkeit in gesundheitlichen Gewohnheiten hängt zusammen mit Sorglosigkeit in moralischen.   

Die einzige Sicherheit 

Des Arztes Sicherheit unter allen Umständen liegt einzig darin, nach Grundsätzen zu handeln, die durch eine Festigkeit der Absicht bestärkt und veredelt werden, wie man sie nur in Gott findet. Er muss Tag für Tag, Stunde für Stunde und jeden Augenblick leben, wie vor dem Angesicht der unsichtbaren Welt, er muss sich wie Moses halten „an den, den er nicht sah, als sähe er ihn.“ (Hebräer 11,27) Gerechtigkeit hat ihre Wurzel in Gottseligkeit. Kein Mensch kann vor seinen Mitmenschen ständig ein reines, tatkräftiges Leben führen, wenn nicht sein Leben mit Christo in Gott verborgen ist. Je größer die Tätigkeit unter den Menschen, desto enger muss die Verbindung des Herzens mit Gott sein. Je dringender seine Pflichten und je größer seine Verantwortlichkeit, desto notwendiger bedarf der Arzt göttlicher Kraft. Er muss dem Irdischen Zeit abgewinnen zur Betrachtung ewiger Dinge. Er muss einer anmaßenden Welt widerstehen, welche ihn so bedrängt, um ihn von der Quelle der Kraft zu trennen. Der Arzt sollte sich ganz besonders durch Gebet und das Studium, der Schrift unter den Schutz Gottes stellen. Er muss in stündlicher Verbindung und gewissenhafter Gemeinschaft mit den Grundsätzen der Wahrheit, Gerechtigkeit und Gnade leben, welche die Eigenschaften Gottes in der Seele offenbaren. Genau in dem Grade, in welchem das Wort Gottes angenommen und befolgt wird, wird es mit seiner Macht und mit seinem Leben jede Handlungsweise, jede Stufe des Charakters beeinflussen. Es wird jeden Gedanken reinigen, jeden Wunsch regeln. Solche, die ihr Vertrauen in Gottes Wort setzen, werden sich als Männer betragen und stark sein. Sie werden sich über alle niederen Dinge zu einer von aller Verunreinigung freien Atmosphäre erheben. Wenn der Mensch in Gemeinschaft mit Gott steht, so wird jener unwandelbare Vorsatz, welcher Josef und Daniel inmitten der Verderbnis heidnischer Königshöfe bewahrte, sein Leben in unbefleckter Reinheit erhalten. Das Gewand seines Charakters wird fleckenlos sein. Das Licht Christi wird in seinem Leben nicht verdunkelt. Der helle Morgenstern wird allezeit über ihm in unveränderter Herrlichkeit scheinen. Ein solches Leben wird ein Element der Kraft in der Gesellschaft sein. Es wird eine Schranke gegen das Böse, eine Zuflucht für den Versuchten, ein leitendes Licht für alle sein, die unter Schwierigkeiten und Entmutigungen den rechten Weg suchen.

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