Hebt die Auferstehung den Sabbat auf?
Ein Pfarrer sprach eines Sonntags in einer Predigt über die Sabbatfrage. Nachdem er eine ganze Reihe von Argumenten vorgebracht hatte, schloß er seine Predigt mit den Worten: „Ich weiß, Gott hat nur einen Sabbat gemacht und das ist der siebente Tag. Der Sabbat ist nicht unser Sonntag, sondern der Samstag. Ich halte aber den Sonntag zu Ehren der Auferstehung meines Herrn. Es gibt dafür kein biblisches Gebot aber im Halten des Sonntags drücke ich meine Ehrfurcht aus!“
Dies ist eine äußerst dürftige Begründung für die Sonntagsfeier. Ernste Christen lehnen eine solche Argumentation ab. Ihr Glaube wird nicht von Gefühlen und guten Absichten bestimmt, sondern allein von Gottes Wort und Gebot. Jesus sagt: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten!“ (Johannes 14,15) Die Ehrfurcht vor Gott offenbart sich im Glaubensgehorsam, der sich am göttlichen Willen und Gebot orientiert. Wäre es anders, so könnten wir auch mit Recht den Karfreitag zum Anlass nehmen, an jedem Freitag des Todes Jesu feierlich zu gedenken. Oder will jemand sagen, der Tod Jesu wäre es nicht wert in einer wöchentlichen Feier geehrt und gewürdigt zu werden?
Tod und Auferstehung Jesu sind im göttlichen Heilsplan von größter Wichtigkeit. Durch den Tod Jesu wird uns Vergebung und Versöhnung geschenkt, und durch die Auferstehung Jesu erhalten wir die Kraft zu einem neuen Leben. Es handelt sich um zwei große Heilstatsachen, an denen wir unverrückt festhalten wollen. Wer gibt uns das Recht, die Auferstehung Jesu durch einen wöchentlichen Gedächtnistag stärker zu betonen als die Kreuzigung?
Wenn wir einen Wochentag zu Ehren des Auferstandenen halten, warum sollten wir dann nicht einen zweiten Ruhetag zu Ehren des Gekreuzigten beachten? Und warum sollten uns Tod und Auferstehung Jesu veranlassen, den von Gott bestimmten Gedächtnistag der Schöpfung zu beseitigen? Das Kreuz hat doch die Tatsache, dass Gott alle Dinge durch Jesus Christus geschaffen hat nicht aufgehoben.
Sollten wir Jesus, unseren Erlöser, nicht auch dadurch ehren, dass wir ihn mit der Heiligung des Sabbats als unseren Schöpfer anbeten? Wenn wir bei dieser Überlegung blieben, so müssten wir drei wöchentliche Ruhetage haben. Nun sagt aber Gottes Gebot: „Sechs Tage sollst du arbeiten.“ (2. Mose 20,9) Es kommt also nur ein Ruhetag in Frage. Welcher Tag soll es sein? Ist es unserem eigenen Ermessen überlassen, welchen Tag wir dafür wählen? Gottes Gebot sagt: „Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun!“ (2. Mose 20,10)
Die Auferstehung Jesu von den Toten ist zweifellos ein Kernstück unseres Glaubens. Jesu Sieg über den Tod gibt unserem Leben Hoffnung. Ist Christus nicht persönlich auferstanden, so ist unser Glaube umsonst. Gleichzeitig aber ist es unbestreitbar, dass in der Bibel nirgends von einer Anordnung Jesu oder seiner Apostel berichtet wird, den Auferstehungstag wöchentlich zu feiern.
Der Bibellehrer Ludwig Martin bemerkt dazu: „Die Schriften des Neuen Testaments wurden nach der Auferstehung Jesu verfasst die letzte wahrscheinlich gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. Für diesen gesamten Zeitraum liegt in den apostolischen Schriften kein Hinweis auf eine Einsetzung der Sonntagsfeier vor. Solch eine tiefgreifende Änderung der Gottesdienstordnung wäre zweifellos eingehend mündlich und schriftlich erörtert worden. Eine Verlegung des Ruhetages hätte auch einen weiteren Streitpunkt in der Auseinandersetzung mit dem Judentum ergeben, bestanden doch die meisten Gemeinden damals aus Juden- und Heidenchristen. Verschiedene Ruhetage – etwa Samstag und Sonntag – hätten einen gemeinsamen Gottesdienst unmöglich gemacht. Die Berichte des Augenzeugen Lukas lassen erkennen, dass es in Bezug auf den Ruhetag in Kleinasien keine Reibungsflächen zwischen Paulus und seinen Gegnern gab!“ (L. Martin, „Der Sabbat in Bibel und Geschichte“, S.27)
Warum wird im Neuen Testament eine wöchentliche Feier der Auferstehung Jesu nicht erwähnt? Die urchristliche Gemeinde hatte für Tod, Begräbnis und Auferstehung Jesu andere Gedächtnisfeiern. Jesus gab seinen Nachfolgern zur Verherrlichung und Vergegenwärtigung seines Todes und seiner Auferstehung zwei tiefsinnige Anweisungen, ohne dabei den von ihm am Anfang gestifteten Sabbattag zu beseitigen oder die Heiligung mehrerer Tage anzuordnen.
Als Jesus mit seinen Jüngern das Abschiedsmahl hielt, gab er ihnen Brot und Wein zum Gedächtnis an sein Leiden und Sterben. Der Evangelist Lukas berichtet darüber: „Und er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird!“ (Lukas 22,19.20) Der Apostel Paulus bestätigt, dass die Gläubigen seiner Zeit das Abendmahl als eine Erinnerungsfeier an den Tod Jesu und als ein missionarisches Bekenntnis verstanden. Er schrieb den Christen in Korinth: „Denn so oft ihr von diesem Brot esst und von diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt!“ (1. Korinther 11,26)
Jesu Begräbnis und Auferstehung sahen die Christen des ersten Jahrhunderts in der von ihnen geübten Taufpraxis nachvollzogen und vergegenwärtigt. Dafür ist das Wort des Apostels Paulus aus Römer 6,3-5 ein treffender Beleg: „Oder wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein!“ Wer gläubig getauft war, hatte im Untertauchen das Begrabenwerden mit seinem Herrn erlebt; und die Kraft des Auferstandenen erwies sich in einem neuen Leben. Wer wiedergeboren war aus Wasser und Geist, wandelte in der Nachfolge Christi.
Das Ereignis der Auferstehung Jesu wurde dem Gläubiggewordenen im Erlebnis seiner Wiedergeburt zur persönlichen Erfahrung. Eine treffende Aussage gibt die Anmerkung der Stuttgarter Jubiläumsbibel zu Römer 6,3-5: „Der damalige Vollzug der Taufe durch Untertauchen (= begraben werden) im Wasser, aus dem der Täufling als neuer Mensch wieder auftauchte (= auferstand), legte dem Apostel das eindrucksvolle Gleichnis unsres Verses nahe … Hierbei ist freilich zu beachten, daß die Taufe damals durch Untertauchen geschah und eine Taufe der Erwachsenen war, die sie aus Heilsbegierde begehrt hatten!“
Wie sehr die Glaubenstaufe als eine Vergegenwärtigung von Jesu Tod und Auferstehung angesehen wurde, geht auch aus Kolosser 2,12.13 hervor: „Mit ihm seid ihr begraben durch die Taufe: mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht da ihr tot wart in den Sünden!“
Wenn wir Jesus als den Auferstandenen ehren wollen, müssen wir zunächst der Sünde absterben, d. h. wir müssen unseren alten, sündigen Menschen mit Jesus kreuzigen. Dann sollen wir in der Taufe, dem Bad der Wiedergeburt, mit ihm begraben werden, um anschließend mit Jesus ein neues Leben zu führen. Die urchristliche Gemeinde hat auf diese Weise die Auferstehung Jesu stets aufs neue erlebt.
Jedesmal, wenn ein sündiger Mensch sich zu Jesus bekehrte und die Taufwiedergeburt erlebte, wurde der lebendige und auferstandene Herr in ihrer Mitte erkannt und erfahren. Ein toter Jesus kann unsere Herzen nicht verändern. Von dem auferweckten Herrn aber sagt die Bibel, dass er „nach dem Geist der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten“ (Römer 1,4).
Die Auferstehung Jesu hat also den Sabbat, den Gedächtnistag der Schöpfung, nicht aufgelöst oder abgeschafft. Die urchristliche Gemeinde hat der Heilstat Gottes nicht wöchentlich mit einem neuen Feiertag gedacht, sondern mit einem neuen Leben die Herrschaft und Gegenwart des auferstandenen Christus täglich bezeugt und damit dem Willen ihres Erlösers entsprochen. Die Auferstehung Jesu brachte für sie keinen neuen Ruhetag sondern ein neues Leben.
Wer aufmerksam die Apostelgeschichte liest wird feststellen, dass die Apostel auch nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu an der Sabbatheiligung festhielten und Christus als Herrn des Sabbats ehrten.